Bei den Bedienkonzepten setzt sich immer mehr ein Ansatz wie hier beim Land Rover Discovery durch, der das Leben im Abseits erleichtert. Nur Fahren muss man selbst.

Foto: Andreas Stockinger

Die ersten Ideen zum Thema Allradantrieb gehen auf Leonardo da Vinci und Albrecht Dürer zurück. Die Umsetzung ihrer Konzepte scheiterte wohl weniger an der Tatsache, dass man vier Räder zugleich antreiben wollte, als eher daran, dass man keine effiziente Maschine hatte, die dies bewerkstelligen hätte können. So richtig brauchbare Konzepte sind folglich erst im Windschatten der Dampfmaschine entstanden, also in England, der Hochburg der Dampfautomobile. Aber der Anfang war zäh, die Autos waren viele Tonnen schwer und quälten sich im Schritttempo über das Land – und Differenzial hatten sie auch noch keines.

Radnabenmotoren

Das erste ernstzunehmende Allradfahrzeug brauchte übrigens auch kein Differenzial. Denn es hatte vier Radnabenmotoren. Richtig, es handelte sich um eine Variante des Lohner-Porsche, ein Elektroauto mit viermal zweieinhalb PS. Aber der damals so beliebte Elektroantrieb wurde praktisch über Nacht vom Verbrennungsmotor abgewürgt. Eine Maschine, die vier Räder antreiben sollte, setzte von nun an auch eine aufwendige Kraftübertragung voraus, die nicht so ohne weiteres verlässlich beherrschbar war. Der Erste Weltkrieg war zwar ein bedeutender Technologietreiber in Richtung Allrad, seine Initialzündung fand Letzterer allerdings im Sport. Der holländische Spyker-Grand-Prix-Wagen von 1903 wies ein Allradkonzept auf, das heute in seiner grundsätzlichen Architektur noch immer Anwendung findet. Von einem längs eingebauten Frontmotor gelangte die Kraft über ein Verteilergetriebe und ein Mitteldifferenzial zur Vorder- und Hinterachse.

Der Konkurrenz voraus

Mercedes-Benz beansprucht für sich, mit dem Dernburg-Wagen den ersten "Allradantrieb für Alltagsbetrieb" gebaut zu haben (benannt nach dem Bankier und Diplomaten Bernhard Dernburg, der mit so einem Auto durch das damalige Deutsch-Südwestafrika tourte, heute Namibia). Das Auto war mit seinem permanenten Allradantrieb, mit Vierradlenkung und in seiner Tropen- und Wüstentauglichkeit der Konkurrenz um Jahrzehnte voraus. Viele spätere Konstruktionen bauten auf diese Technik auf.

Welche Maschine auch immer vorgeschaltet sein mag, das Kernelement eines Allradantriebs ist immer die Kraftverteilung, die, ausgehend von einem Antriebsaggregat, auf unterschiedlichste Art erfolgen kann. Meist ist eine unabhängige Beweglichkeit aller vier Räder, in manchen Fällen auch sechs Räder (siehe Lastwagen und Militärfahrzeuge), notwendig. Dafür baut man in der Regel Ausgleichsgetriebe (Differenziale) ein, zwischen den Rädern und zwischen den Achsen. Manchmal ist es aber gar nicht wünschenswert, dass sich tatsächlich alle Räder unabhängig bewegen, etwa dann, wenn eines auf Glatteis steht und durchdreht und alle anderen Räder stillstehen. Dafür müssen Differenziale auch sperrbar sein.

Abschaltbarer Allradantrieb

Da der Allradantrieb aus dem Geländefach kommt, war lange Zeit ein Baumuster vorherrschend: Motor vorn längs eingebaut, hinter dem Getriebe ein Verteilergetriebe (eventuell auch mit Geländereduktion), das die Kraft auf Vorder- und Hinterachse verteilte. Handelte es sich um einen permanenten Allradantrieb, war in der Mitte auch ein Differenzial zum Drehzahlausgleich zwischen vorn und hinten nötig. War er hingegen zuschaltbar ausgelegt, konnte man sich das mittlere Differenzial ersparen. Die starre Verteilung zwischen Vorder- und Hinterachse entspricht einem gesperrten Mitteldifferenzial, im Gelände vielfach gewünscht, für die Fahrt auf befestigtem Untergrund musste man diese Verbindung aber lösen, um mitunter fahrdynamisch gefährliche Verspannungen im Antriebsstrang zu vermeiden. Das heißt, eigentlich ist ein zuschaltbarer Allradantrieb ein abschaltbarer.

Heute haben nur mehr ernsthafte Geländewagen ein Reduktionsgetriebe und ein Mitteldifferenzial, weil diese Einrichtungen schwergewichtig sind und auch tatsächlich nur im Gelände gebraucht werden. Da ein Allradantrieb im Personenwagen normalerweise nur zur Verbesserung der Fahrdynamik bei schlechtem Wetter ausgelegt ist, hat sich in der breiten Masse der Alltagsfahrzeuge und SUVs ein anderes System durchgesetzt, nämlich die zweite Achse über eine elektronisch gesteuerte Reiblamellenkupplung anzutreiben, meist direkt oder manchmal in der Funktion als Differenzialsperre, oft als Fronttriebler, dessen Hinterachse sich vollautomatisch dazuschaltet, manchmal auch auf Basis Hinterradantrieb.

Hang-on-Allrad

Wesentlich ist, dass elektronische Steuerungen heute so schnell arbeiten, dass der Prozess des vollautomatischen Zuschaltens praktisch verzögerungsfrei stattfindet, aber auch die Räder blitzschnell wieder von Antriebskräften befreit sind, wenn ihre Unabhängigkeit zur perfekten Funktion der Fahrdynamikregelung gefordert ist.

Die elektronischen Antriebsregelungen arbeiten so ausgeklügelt, dass manche Hersteller, etwa Peugeot-Citroën, hervorragende Traktionswerte mit nur einer Achse erreichen, die nahe an den Allradantrieb herankommen. Tatsache ist aber auf jeden Fall, dass es nunmehr möglich ist, die Regelung des Antriebs für unterschiedlichste Untergründe zu optimieren. Weitgehend kann das auch die Elektronik allein, vollautomatisch. Damit aber auch wir wissen, was so ein Auto alles kann, gibt es zusätzlich oft noch diverse Wahlmöglichkeiten, etwa zwischen Asphalt, Wüstensand, Glatteis oder Tiefschnee.

Elektroallrad

Eine völlig neue Dimension des Allradantriebs eröffnet sich durch den Elektroantrieb. Da kommen gleich wieder die Radnabenmotoren des Lohner-Porsche ins Spiel, die man ja über heutige Elektronik bedarfsgerecht steuern kann, allerdings kommen aus fahrdynamischer Sicht Radnabenmotoren nur für eher langsame Fahrzeuge infrage. Aber auch bei achsweisem Elektroantrieb herrscht ein sehr hoher Freiheitsgrad zur flexiblen Gestaltung des Vortriebs, man denke nur an den Jaguar I-Pace, der den derzeit sportlichsten Allradantrieb aller Serienfahrzeuge besitzt. Aber auch Audi e-tron und Mercedes EQC, die in Kürze kommen, zeichnen sich durch eine ausgefeilte Allradarchitektur aus, wobei es dabei nicht allein um das Antreiben geht, sondern auch um die Energierückgewinnung beim Bremsen, Bergabfahren und Ausrollen. Das heißt, Allradantrieb funktioniert hier sogar in zwei Richtungen. Den dynamischen Verhältnissen beim Gasgeben und Bremsen entsprechend wird der hintere Motor für den Antrieb, der vordere für das Rekuperieren optimiert.

Eine spezielle Variante des Allradantriebs stellen manche Hybrid- und Plug-in-Hybridfahrzeuge dar, bei denen der Verbrennungsmotor in der Regel die Vorderachse antreibt, während ein Elektromotor für die Hinterachse zuständig ist. (Rudolf Skarics, 13.12.2018)