Die Politik wirbt mit der Vielfalt der Produktion.

APA

Die Botschaft verheißt viel Gutes: Kein kleiner Produzent soll sich künftig in Österreich vor dem großen Lebensmittelhandel fürchten. Um Aufträge und Preise werde ebenbürtig und fair verhandelt. Gibt es dennoch einseitige Übergriffe zulasten der Lieferanten, kommt eine neue Ombudsstelle als Mediator ins Spiel.

Gut einen Monat ist es her, dass die Wettbewerbsbehörde einen Fairnesskatalog für Unternehmen vorlegte. Dieser soll Bauern und kleine Produzenten davor schützen, zu einem Spielball der Handelsriesen zu werden. Diesen Montag versammelten sich nun Konzernchefs von Rewe, Spar, Hofer, Lidl, Metro und Unimarkt – in seltener Einigkeit, flankiert von einer kleinen Lkw-Ladung an Obst und Gemüse -, um eine Erklärung zu präsentieren, in der sie sich zu unternehmerischem Wohlverhalten verpflichten.

Monatelange Funkstille

Den Stein ins Rollen brachte ÖVP-Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger. Kurz nach Antritt der neuen Bundesregierung sprach sie von einer Übermacht der Handelsketten, die Bauern quasi erpressten. Die Folge war eine monatelange Funkstille zwischen Händlern und der Ministerin, wie Nahestehende erzählen. Da die Krise nicht von Dauer sein durfte, wurde über ein halbes Jahr lang um ihre Entschärfung gerungen. Das Ergebnis sind sieben Punkte, unterzeichnet von sechs Handelsvorständen.

Als unlauter gelten etwa die Weigerung, Verträge schriftlich abzuschließen, und das Fordern von Zahlungen ohne entsprechende Gegenleistung rund um Listungsgebühren und Boni. Einseitige rückwirkende Vertragsänderungen werden ebenso als unzulässiges Foul gewertet wie das Zurückschicken nicht verkaufter Ware an Lieferanten auf deren Kosten. Bei Ersterem taten sich jüngst Leiner und Kika hervor, die bei Möbelerzeugern nachträglich hohe Rabatte für das Jahr 2018 einforderten. Allein – sie zählen nicht zum Lebensmittelhandel und sind daher anders als Rewe und Spar moralisch nicht verpflichtet, Besserung zu geloben.

Ebenbürtig?

Zweiteres war in der Backbranche etwa über lange Zeit Praxis: Viele Bäcker bekamen abends unverkauftes Brot und Gebäck von den Supermärkten, die auf volle Regale bis kurz vor Ladenschluss pochten, auf eigene Rechnung wieder retour. Der Haken dabei, sollte dies wieder Schule machen: Der Ombudsmann soll nur bei Bauern und kleinen Lieferanten aktiv werden. Betriebe mit mehr als 250 Mitarbeitern und 50 Millionen Euro Umsatz müssen sich weiterhin selbst gegen die Dominanz der Händler wehren. Sie haben eigene Rechtsabteilungen, sagt Köstinger, und begegneten dem Handel ohnehin "auf Augenhöhe".

Fix ist die Einrichtung einer Ombudsstelle, wo genau sie angesiedelt wird, ist noch offen. Sie soll im Laufe des kommenden Jahres anonyme Beratung und juristische Aufklärung bieten, als Informationsplattform dienen und zwischen Lieferanten und Abnehmern vermitteln. Staatlich finanziert, weisungsfrei und unabhängig soll die neue Anlaufstelle für Landwirte sein, verspricht Köstinger. Gesetzeswidriges werde an die Behörden weitergeleitet. Einmal im Jahr gibt es einen Bericht.

"Weihnachtswunder"

Von "einem guten Tag für alle" spricht Frank Hensel. Der Ex-Rewe-Chef, nunmehr Vizepräsident des Handelsverbands, betont den Wert freiwilliger Vereinbarungen, die etwa auch rund um die Reduzierung von Plastiksackerln zum Erfolg geführt hätten. Verbandschef Rainer Will sieht Österreich als Musterschüler in der EU: Ein Missing Link in einem Graubereich sei gemeinsam geschlossen worden.

Ein Rundruf des STANDARD unter Landwirten, kleinen Verarbeitern und Industriellen vermittelt ein anderes Bild. Es wäre ein Weihnachtswunder, änderte die Selbstverpflichtung an der täglichen Geschäftsgebarung etwas, sagt ein Agrarexperte. Denn über allem schwebe die Angst vor der Auslistung. Abgesehen davon verhandelten die wenigsten Bauern, für die die Ombudsstelle eingerichtet wird, selbst mit dem Handel. Dieser brauchte dafür andernfalls wohl einen Stab an tausenden Einkaufsmitarbeitern.

Reale Verteilung der Macht

Von Verhandlungen mit der Brechstange erzählt ein Gemüseverarbeiter. "Alle Händler wollen regionale Produktion, dafür zahlen will keiner." Um sich mit Mediatoren in die Offensive zu wagen, dafür müsse schon zuvor Hopfen und Malz verloren sein. "Wer im Regal bleiben will, verhält sich still."

Entscheidend sei die reale Verteilung der Macht, sagt ein Markenentwickler. Sie bestimme, wer was zu sagen hat. Das sei nicht die Politik, das seien nicht Erzeuger, sondern drei Handelskonzerne mit gemeinsam 87 Prozent Marktanteil in Österreich. Große Marken dienten allein als Lockvogel, um die eigenen Labels der Supermärkte zu pushen. Selbst Riesen wie Red Bull, Unilever und Nestlé seien nicht davor gefeit, über Wochen und Monate aus dem Regal zu fliegen. In Deutschland passierte dies jüngst Nestlé bei Edeka, heißt es aus der Industrie. Jede Maßnahme, um die Lage zu verbessern, sei richtig. Wohlverhalten auf jenes gegenüber den Bauern zu beschränken, greife aber zu kurz. Unlautere Handlung an sich sei verpönt – unabhängig von der Größe des Gegenübers. (Verena Kainrath, 26.11.2018)