Wien – Bei der Frage des Vermögenszugriffes blieb die ÖVP bis zum Schluss hart. Wer Mindestsicherung beziehen will, muss also auch in Zukunft Geldvermögen bis auf einen kleinen Freibetrag (derzeit 4.200 bis 4.300 Euro, künftig etwas mehr) verbrauchen sowie vorhandene Immobilien besichern lassen.

Die FPÖ wollte zuletzt, dass die Behörden bei sogenannten Aufstockern nicht mehr ins Grundbuch gehen können. Dabei handelt es sich um Menschen, die ein geringes Einkommen (Gehalt, Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe) haben, das aber nicht zum Überleben ausreicht. Dieses können sie mit einer Teilleistung aus der Mindestsicherung "aufstocken".

ÖVP und FPÖ haben sich auf die letzten Details zur neuen Mindestsicherung geeinigt. Es soll künftig Kürzungen für Menschen mit schlechten Deutschkenntnissen geben. Am Mittwoch wird die Reform präsentiert.
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Druck aus den Ländern

Vor allem die ÖVP-regierten Länder haben Druck auf die Beibehaltung des Vermögenszugriffes gemacht, weil sie fürchteten, dass ohne diesen die Zahl der Anträge steigen könnte. ÖVP-Chef Chef Sebastian Kurz ließ deshalb die FPÖ abblitzen, wie dem STANDARD aus Regierungskreisen bestätigt wurde.

Jedenfalls konnten nun die monatelangen Verhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ beendet werden. Die Koalition hat sich auf ein sogenanntes Grundsatzgesetz geeinigt, das am Mittwoch im Ministerrat beschlossen wird. Es soll künftig wieder für halbwegs einheitliche Standards in ganz Österreich sorgen. Zur Erinnerung: Nach gescheiterten Verhandlungen lief der alte Bund-Länder-Vertrag 2016 aus.

Wie viel Spielraum?

Einen gewissen Spielraum werden die Länder aber auch in Zukunft haben. Der Bund definiert nur Maximalbeträge, die Länder könnten in ihren Umsetzungsgesetzen auch schlechtere Sätze festlegen. Rechtlich begibt man sich damit auf Neuland. Es ist nicht ganz klar, wie weitgehend die Vorgaben sein dürfen. Wien hat bereits mit dem Gang zum Verfassungsgerichtshof gedroht, sollte der Bund aus ihrer Sicht verfassungswidrige Bestimmungen vorgeben. Umgekehrt könnte der Bund ein Land beim VfGH klagen, wenn er der Meinung ist, dass dieses das Grundsatzgesetz nicht in seinem Sinne umgesetzt hat.

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Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) sind sich bei der neuen Mindestsicherung einig.
Foto: reuters / LISI NIESNER

Viele Eckpunkte der Reform wurden bereits im Mai vereinbart. Voraussetzung für einen Bezug soll ein fünfjähriger Aufenthalt in Österreich sein. Die Höhe für Alleinstehende wird sich, wie bisher, an der Mindestpension orientieren (aktuell netto 863,04 Euro). Wer aber nicht ausreichend Deutsch (B1-Niveau) oder Englisch (C1-Niveau) spricht oder keinen Pflichtschulabschluss hat, soll eine um 300 Euro niedrigere Leistung bekommen. Das zielt vor allem auf Asylberechtigte ab, weshalb Experten eine mögliche mittelbare Diskriminierung orten.

Weniger für Familien

Weniger wird es in der Regel für Familien mit mehreren Kindern geben. Für das erste Kind sind 25 Prozent der Basisleistung vorgesehen, für das zweite nur mehr 15 und für das dritte gar nur mehr fünf Prozent. Die meisten Länder haben zwar schon jetzt degressive Modelle, aber nicht derart radikal, weshalb es auch gegen diesen Punkt verfassungsrechtliche Bedenken gibt. Für Alleinerziehende ist hingegen ein zusätzlicher Bonus vorgesehen (maximal 100 Euro für das erste, 75 Euro für das zweite und 50 Euro für das dritte Kind).

In den westlichen Bundesländern wurde vor allem mit Spannung beobachtet, wie groß das Ermessen bei der Berechnung des Wohnbedarfes sein wird. Die Soziallandesräte von Tirol, Vorarlberg und Salzburg haben daher am Dienstag bereits dagegen protestiert, dass nun ein Gesetz ohne ihre vorherige Einbindung vorgelegt wird. Es handelt sich dabei aber um drei Grünen-Politiker, ihre Koalitionspartner, die schwarzen Landeshauptleute, hielten sich zunächst bedeckt.

Besserer Datenaustausch

Verbessern soll sich jedenfalls auch die Datenlage bei der Mindestsicherung, die bisher eher mau war. Die Regierung möchte künftig auch den Migrationshintergrund der Bezieher erheben und einen besseren Austausch zwischen Sozialbehörden und Arbeitsmarktservice. Wie berichtet klagte das AMS in der Vergangenheit darüber, dass es mitunter trotz Arbeitsunwilligkeit zu keinen Sanktionen kam, weil die Länder AMS-Daten nicht abriefen.

Noch nicht Teil des aktuellen Paketes ist die Reform der Notstandshilfe, die in einem neuen Arbeitslosengeld aufgehen soll. Dieses degressive Arbeitslosengeld – wer länger eingezahlt hat, wird mehr bekommen – soll dann im neuen Jahr präsentiert werden. (Günther Oswald, 27.11.2018)