Vegan, lesbisch, feministisch. Ja, Feminismus ist vielfältig – ihn deshalb pauschal als "undifferenziert" zu kritisieren läuft deshalb ins Leere.

Foto: Imago/Ralph Peters

Erst letzten Sonntag erinnerte der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen daran, in welchem Ausmaß Frauen Opfer von Gewalt werden. Eine von vier Frauen hat sexuelle Gewalt erlebt, drei von ihnen sexuelle Belästigung. Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität werden zu 98 Prozent von Männern verübt, zu zwei Prozent von Frauen.

Opfer – da stellt es vielen schon die Haare auf. Zum Beispiel der Journalistin Claudia Baer, die in der "Neuen Zürcher Zeitung" mit dem Argument "undifferenziert" gegen "die Feministinnen" ausholt, und zwar ihrerseits sehr pauschal. Nicht zuletzt, um sich schützend vor "die Männer" zu stellen. Damit wiederholt sie die seit #MeToo in Dauerschleife publizierte Meinung, die feministische Beschäftigung mit Gewalt gegen Frauen würde alles in einen Topf werfen, männerdiskriminierend sein und den Opferstatus von Frauen festschreiben. Nun, man kann natürlich der Meinung sein, die Diskriminierung von Frauen würde völlig übertrieben werden, die Umfragen und Studien über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und auch im öffentlichen Raum seien nicht so wichtig und dass sich das schon irgendwie einrenken wird, ganz ohne feministischen Proteste.

Kein einheitliches Wording

Aber den aktuellen Diskurs als undifferenziert, männerverachtend und opferstatus-zementierend hinzustellen ist Unsinn. Schließlich gehört auch dieser Text in der "Neuen Zürcher Zeitung" zum Diskurs über sexuelle Gewalt gegen Frauen, und er wird gehört und gelesen. Der Diskurs ist demnach sehr vielfältig, und undifferenziert ist es vielmehr, eine Auswahl an Aussagen von Feministinnen herauszufischen um diese dann gegen einen globalen Aktivismus ins Feld zu führen. Da wäre zum Beispiel, schreibt Baer, die Journalistin Sibel Schick, die mit dem Hashtag #MenAreTrash (Männer sind Abfall) gegen Gewalt an Frauen protestiert. Baers Kritik wäre nachvollziehbar, hätte die ganze #MeToo-Sache eben nicht unter #MeToo, sondern unter #MenAreTrash stattgefunden. Hat sie aber nicht.

Wer solche Hashtags oder auch bestimmte Sprüche auf Demoplakaten "dem Feminismus" ankreidet, muss wohl glauben, alle Feministinnen der Welt würden sich mindestens monatlich treffen, um ein einheitliches Wording festzulegen, an das sich im Anschluss auf Twitter oder auf der Straße eine jede und ein jeder hält. Tina Fey illustrierte alias Liz Lemon diese seltsame, aber weit verbreitete Vorstellung in ihrer Sitcom "30 Rock" treffend, als sie auf einen "Die Frauen"-Sager sinngemäß antwortete: Ja, wir treffen uns diese Woche alle und werden darüber abstimmen.

Männerschelte ist das nicht

Doch über einige wichtige Dinge sind sich Feministinnen natürlich einig: dass wir ein großes Problem mit geschlechtsspezifischer Gewalt haben. Einig ist man sich auch darin, dass wir damit aufhören sollten, die Schuld bei den Opfern zu suchen.

Bei vielen KritikerInnen von feministischem Aktivismus herrscht Unwissen. Noch immer gelten Kenntnisse über diese wichtige, über 150 Jahre alte Menschenrechtsbewegung nicht als Teil der Allgemeinbildung. So dürfte der Autorin, die die Gewalt gegen Kinder als eine von Feministinnen vergessene darstellt, nicht bekannt sein, dass Feministinnen der zweiten Welle maßgeblich an Gewaltschutzgesetzen beteiligt waren, die heute natürlich alle Kinder vor Gewalt in den eigenen vier Wänden schützen, Mädchen wie Buben. Zahlreiche Feministinnen, Gewaltschutzexpertinnen und in der Männerberatung tätige Fachleute reden sich den Mund über die strukturelle Begünstigung von Gewalt fusselig, darüber, dass die herrschenden Männer- und Frauenbilder und Vorstellungen über Sexualität das Problem ständig reproduzieren. Die aktuellen feministischen Bewegungen, die größtenteils versuchen, genau das zu transportieren, als pauschale Männerschelte zu interpretieren, ist alles andere als ein naheliegender Schluss.

Solidarität ist das Thema

Und schließlich noch zum Klassiker, dass aktuell der Opferstatus von Frauen zementiert werde. Frauen könnten sich wehren, es gibt zahlreiche Beispiele, wo das geklappt habe. Ohrfeige, fertig. Doch wer feministischen Aktivismus auf individuelles Handeln reduziert, hat auch nicht verstanden, dass es bei #MeToo nicht darum geht, Handlungsmöglichkeiten zu negieren, sondern darum, durch Solidarität Frauen zu stärken – und darum, ein globales Muster aufzuzeigen.

In ein und demselben Text von Männerbashing einerseits zu reden und andererseits Frauen vorzuwerfen, sich nicht an Ort und Stelle gewehrt zu haben, zeigt: Wir stehen noch ganz am Anfang. Liebe Feministinnen, schickt doch bitte dringend einen neuen Termin für ein Meeting. (Beate Hausbichler, 27.11.2018)