London – Am Ende war es eine deutliche Angelegenheit. 3:0 deklassierte Magnus Carlsen seinen Herausforderer Fabiano Caruana im Schnellschach-Tiebreak, das durch das 6:6 in den Partien mit klassischer Bedenkzeit notwendig geworden war. Die geplante vierte Schnellschach-Partie musste am Mittwochabend gar nicht mehr gespielt werden, weil Carlsen da schon uneinholbar in Führung lag.

Wie ein Hutschpferd

Zum zweiten Mal nach 2016 konnte der Norweger die Schach-WM damit erst in der Verlängerung gewinnen. Aber wie schon vor zwei Jahren in New York gegen Sergei Karjakin wirkte der Weltmeister nach dem erfolgreichen Tiebreak so gelöst, wie man ihn die ganze WM über nicht gesehen hatte.

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Magnus Carlsen hatte einen guten Tag.
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Der österreichische Großmeister Markus Ragger analysiert das Tiebreak der Schach-WM 2018.
Österreichischer Schachbund

Läuft es für Magnus Carlsen einmal schlecht, dann kann er nämlich ein ziemlich unleidlicher Zeitgenosse sein. Und im klassischen Schach läuft es für den 27-Jährigen – gemessen an seinen Standards – schon seit geraumer Zeit nicht optimal. Das gab Carlsen auch in der Pressekonferenz nach dem Tiebreak-Sieg ganz offen zu. Umso glücklicher zeigte er sich über seine Dominanz im Schnellschach, die noch beeindruckender ausfiel als allgemein erwartet: "Ich hatte heute einen sehr guten Arbeitstag", wie der Weltmeister es grinsend formulierte.

Armer Caruana

Für Herausforderer Caruana war es hingegen ein Nachmittag zum Vergessen. Dass Schnellschach nicht die größte Stärke des US-Amerikaners ist, der Carlsen zuvor erfolgreich Paroli geboten hatte, war zwar bekannt. Dass der 26-Jährige sich aber in Partie zwei des Tiebreaks wie ein Schachschüler auskontern ließ, tat sogar beim Zuschauen weh: Anstatt zu rochieren, ging der Herausforderer auf Materialjagd. Seinen in der Mitte feststeckenden König glaubte er ignorieren zu dürfen. Das Ergebnis war eine peinliche Kurzniederlage mit den weißen Steinen, durch die das Tiebreak schon nach zwei von vier Partien de facto gelaufen war.

Magnus Carlsen ist im Schnellschach nicht zu schlagen.
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Auch in Partie eins hatte Carlsen sich nämlich durchgesetzt. "Danach habe ich mich sehr ruhig gefühlt", gab der Weltmeister später zu Protokoll. Ein schlechteres, aber wohl haltbares Turmendspiel war Fabiano Caruana da mit wenigen Sekunden auf der Uhr entglitten. Mit mehr Bedenkzeit hätte er es bestimmt gehalten – aber nach zwölfmal langsam war nun eben schnell an der Reihe.

In der dritten Tiebreak-Partie stand der Herausforderer mit dem Rücken zur Wand. In einem Sizilianer versuchte er mit Schwarz alles, um Ungleichgewichte zu schaffen. Als Lohn landete Caruana einmal mehr in einem verlorenen Endspiel.

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Fabiano Caruana musste sich geschlagen geben.
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Revanche in Wien?

Magnus Carlsen hat nun zwei Jahre Zeit, seine Topform wiederzufinden, bevor er seinen WM-Titel das nächste Mal verteidigen muss. Ob dieses Match 2020 womöglich in Wien stattfindet, entscheidet sich bereits im März kommenden Jahres. Wer den Weltmeister als Nächster fordert, wird erst im Frühjahr 2020 bestimmt. (Anatol Vitouch aus London, 28.11.2018)