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Geht es nach ÖVP, SPÖ und Grünen in der Wirtschaftskammer, dann soll die Zuverdienstgrenze beim Kinderbetreuungsgeld ganz fallen.

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Wien – Die Wirtschaftskammer macht Druck auf die Reform des Kinderbetreuungsgeldes für Selbstständige. In einem gemeinsamen Antrag im Wirtschaftsparlament, dem höchsten Gremium der Kammer, fordern der schwarze Wirtschaftsbund, der rote Wirtschaftsverband und die Grüne Wirtschaft die Abschaffung der Zuverdienstgrenze während des Bezugs des Kindergeldes.

Wie berichtet hatten sich zuletzt Probleme von Selbstständigen mit der Einhaltung der Zuverdienstgrenze gehäuft. Eine Vorarlbergerin musste rund 9.000 Euro zurückzahlen, weil sie die zweijährige Frist zur Vorlage einer Detailaufschlüsselung ihrer Einkünfte verpasst hatte. Sie hielt sich zwar während der Karenzmonate an die Zuverdienstgrenze, verdiente in den Monaten davor und danach aber zu viel, sodass sie im Gesamtjahr über der Grenze lag. Da sie die nach Monaten gegliederte Auflistung ihrer Einkünfte erst nach der Zweijahresfrist an die SVA schickte, muss sie das gesamte Kindergeld zurückzahlen.

Grund für die Beschwerden war auch, dass das Familienministerium die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) vor einigen Jahren angewiesen hatte, keine Erinnerungsschreiben mehr zu verschicken, die bis dahin üblich waren, um Rückzahlungen zu vermeiden. Nach einem ersten Bericht am Montag meldeten sich auch beim STANDARD mehrere Versicherte, die von sich widersprechenden oder falschen Auskünften der SVA berichteten.

Höchstgericht gab Bezieherin recht

Wer noch ein anhängiges Verfahren hat, darf allerdings hoffen. Grund ist ein Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH) vom Mai dieses Jahres, in dem dieser einer Bezieherin recht gab. Auch dabei handelte es sich um einen Fall aus Vorarlberg. Die Frau, die ab Juli 2012 das einkommensabhängige Kindergeld bezog, verdiente während der Karenzmonate lediglich 370,43 Euro dazu, hatte aber in den Monaten davor ein gutes Einkommen, sodass sie über der Zuverdienstgrenze lag.

Vier Jahre später bekam sie schließlich einen Rückforderungsbescheid der Vorarlberger Gebietskrankenkasse. Diese, und nicht die SVA, war in dem Fall zuständig, weil ein Partner unselbstständig versichert war. Da auch diese Frau es verabsäumt hatte, eine monatsweise Einkommensliste zu übermitteln, hätte sie das gesamte Kindergeld zurückzahlen sollen. Es geht immerhin um die stattliche Summe von 10.593,22 Euro.

Nachzahlung bleibt erspart

Das Erstgericht ließ sie zwar noch abblitzen, der OGH gab ihr aber recht. Er berief sich auf die Gesetzeserläuterungen zum Kindergeld, laut denen die Versicherten "rechtzeitig" vor Ablauf der Frist informiert werden sollten. Da das nicht geschehen sei, dürfe sie die Aufschlüsselung ihrer Einkünfte auch verspätet nachreichen, womit ihr die Nachzahlung erspart bleiben wird.

Das Urteil bezieht sich allerdings nur auf das einkommensabhängige Kindergeld. Die Steiermärkische Gebietskrankenkasse, bei der ebenfalls Verfahren anhängig sind, will nun aber zum Verfassungsgerichtshof gehen, um es auch für die pauschale Variante durchzusetzen. Zur Erklärung: Beim pauschalen Kindergeld liegt die Zuverdienstgrenze bei 16.200 Euro, beim einkommensabhängigen bei nur 6.800 Euro, wobei aber die Berechnung äußerst kompliziert ist.

Ministerin sieht keinen Handlungsbedarf

Die Wirtschaftskammer appelliert derweil an das Familienministerium, Härtefälle bei der Rückforderung zu vermeiden. Für Geburten ab dem 1. März 2017 sollte sich die Lage entspannt haben, ist die Vorsitzende von "Frau in der Wirtschaft", Martha Schultz, überzeugt. Seither können Eltern beim Antragsformular zum Kinderbetreuungsgeld angeben, dass sie eine Erinnerung wünschen.

Mit der Forderung nach einem gänzlichen Aus der Zuverdienstgrenze stoßen die Kämmerer aber bei Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) auf kein Gehör: "Eine diesbezügliche Änderung wird derzeit nicht beabsichtigt. Aus verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgründen kann bei Selbstständigen keine Ausnahme gemacht werden", erklärte sie auf STANDARD-Anfrage. (Günther Oswald, 29.11.2018)