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Wie kommt man mit Bewerbungsunterlagen durch den Algorithmus?

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Eine Onlinebewerbung abzuschicken ist keine große Sache. Musste man früher aufwendig eine Bewerbungsmappe erstellen, reicht es heute aus, Lebenslauf und Motivationsschreiben hochzuladen und abzusenden. Für die Bewerber ist das Segen und Fluch zugleich. Auf der einen Seite können sie Bewerbungen streuen und überall ihren Hut in den Ring werfen. Auf der anderen Seite werden Unternehmen mit Bewerbungen überflutet.

Unternehmen setzen daher auf automatisierte Systeme, um des Bewerberandrangs Herr zu werden und die Effizienz im Personalwesen zu steigern. Die Chance, dass man als Bewerber von einem Algorithmus durchleuchtet wird, ist also groß. 95 Prozent der 500 umsatzstärksten Unternehmen der USA (Fortune 500) nutzen mittlerweile ein sogenanntes Applicant Tracking System (ATS), ein Bewerbermanagementsystem, bei dem Bewerbungen von einem Computerprogramm automatisch vorsortiert und dokumentiert werden. Bevor man einen Menschen zu Gesicht bekommt, wird man zunächst von einer Maschine gemustert.

Über die Fairness solcher automatisierter Filtersysteme ist viel diskutiert worden. Kritiker monieren, dass ATS den Bewerbungsprozess entmenschlicht habe. Doch richtig fair waren Bewerbungen noch nie. Auch bei einer überschaubaren Anzahl von Bewerbungen muss man Selektionskriterien einführen.

Schreib, was er haben will

Dass Unternehmen Roboter bei der Personalauswahl einsetzen, ist mittlerweile kein Geheimnis mehr. Karriereportale geben Bewerbern im Internet Tipps an die Hand, wie sich der Lebenslauf algorithmengerecht aufmotzen lässt und die Roboter ("Resume Robots") zu schlagen sind. Der Clou: Algorithmen sind regelbasierte Systeme. Und diese Regeln kann man befolgen. Das Erfolgsrezept sind vor allem Schlüsselbegriffe wie bestimmte Soft Skills, die von dem Algorithmus gewichtet werden und auch gerne mehrfach verwendet werden dürfen – idealerweise dreimal. Was in einem Anschreiben von einem Personaler als redundant und schwach im Ausdruck bemängelt würde, wird von dem Computerprogramm goutiert. Im Internet gibt es kostenlose Software-Tools wie Tagcrowd, wo ein Programm Schlüsselbegriffe aus einem Text extrahiert und in einer Grafik visualisiert. Manche Bewerbersysteme geben sogar Bonuspunkte für bestimmte Schlüsselwörter.

Gewiss, mit einem bloßen "Keyword-Bingo" wird man den Algorithmus nicht überlisten – die Computerprogramme sind mittlerweile recht komplex und vermögen auch qualitative Inhaltsanalysen durchzuführen. Hilfreich ist es jedoch, Begriffe mehrfach zu codieren: Wer sich zum Beispiel für eine Stelle als Programmierer bewirbt, sollte die Stellenbezeichnung ebenso erwähnen wie verwandte Begriffe wie etwa Softwareingenieur oder Entwickler.

Auch die Formatierung ist wichtig: Karriereberater raten, das Anschreiben in SStandardschriftarten wie Arial, Courier oder Times New Roman zu halten, weil das Dokument bei ausgefallenen Schriftarten möglicherweise nicht maschinenlesbar ist und die Bewerbung aus formalen Gründen abgelehnt wird. Titel wie Ph.D., die dem Namen voran- oder hintangestellt sind, können die Maschine ebenfalls verwirren. Auch Rechtschreibfehler sollte man vermeiden. Was bei manueller Prüfung der Bewerbungsunterlagen gilt, gilt bei maschineller Prüfung umso mehr: Der Algorithmus übersieht keine Tippfehler – und sortiert Bewerbungen bei orthografischen Mängeln sofort aus.

Das alte Spiel 4.0

Erzielt der Bewerber einen hinreichend hohen Score, ist die erste Hürde überstanden und kann die menschlichen Personaler von seinen Qualitäten zu überzeugen versuchen. Gewiss, auch Personaler sind auf Codewörter geeicht. Und auch im analogen Zeitalter wurde der Lebenslauf mit so manchen Halb- und Unwahrheiten aufgehübscht. Doch die Frage ist, ob Schlüsselwörter ein geeignetes Selektionskriterium sind und ein Bewerbungssystem, das sich mit einem technischen Kniff überlisten lässt, noch funktional ist. Aus der Frage "Can you beat the bot?" ("Kannst du einen Bot schlagen?") ist inzwischen ein Wettbewerb geworden. Muss man analog zur Suchmaschinenoptimierung (SEO) künftig eine CV-Optimierung betreiben, um bei Maschinen einen gewissen Relevanzfaktor zu erzielen?

In einer Umfrage des Karriereportals Career Arc räumten 62 Prozent der befragten Unternehmen ein, dass einige qualifizierte Bewerber aufgrund eines Fehlers automatisch aussortiert wurden. (Adrian Lobe, 1.12.2018)