Foto: Christian Fischer

PRO

Ruhig Blut
von Doris Priesching

Ein Stück Zucker vorweg zur Beruhigung? Nützt nicht? Schadet nicht? Oder vielleicht doch? Wer auch immer sich zum Thema Homöopathie äußert, ist sich seines Minenfelds gewiss.

Diese Diskussion wird grundsätzlich mit Verve geführt und ohne Rücksicht auf Verluste – und zwar auf beiden Seiten: Jene, die Zuckerkügelchen zuzeln und auf wunderbare Wirkung hoffen, hauen auf ihrer Meinung nach geistig beschränkte und sich mit Chemie selbst versauende Pulverschlucker hin. Diese wiederum betrachten alle, die einer wissenschaftlich nicht haltbaren Heilungsmethode vertrauen, als naive Esoterikdeppen, die einem gierigen Naturheilkartell in die Hände spielen. Ein Wort gibt das andere, man redet sich in Rage, und am Ende spielt es Stammtisch – wie beim Wirten ums Eck: Alle schreien.

Selbstverständlich darf man zum Thema Homöopathie geteilter Meinung sein – aber kann es bitte auch etwas weniger aggressiv sein? Schon klar, es geht um Weltanschauungen, und wir haben alle unsere eigenen, an die wir glauben, für die wir eintreten und von denen wir meinen, alle anderen müssten dieselben haben. Der Missionar in uns regt sich bei den Zuckerkugeln ziemlich auf, er gehört aber gezähmt, weil er ohnehin schon weiß, dass er bei gewissen Themen ansteht. Vielleicht sollten wir Homöopathie weniger als Glaubens- denn als Geschmacksfrage sehen, und über die kann man bekanntlich nicht streiten. (Doris Priesching, 2.12.2018)

KONTRA

Bei den Fakten bleiben
von Jürgen Doppler

Man kann sein Wohlbefinden auch mit einer Portion Spaghetti bolognese steigern und seine Einschlafprobleme mit Bingewatching von Fernsehserien beheben. Niemand würde einen dafür kritisieren – es käme allerdings auch niemand auf die Idee, Nudeln und DVDs als Medikamente zu vermarkten. Warum sollte für Kügelchen aus Zucker etwas anderes gelten?

Die Aufregung, die in Onlineforen mit maximaler Verlässlichkeit sofort losbricht, wenn der Begriff Homöopathie fällt, ist vor allem eines: verblüffend. Denn worum dreht sie sich? Ein angeblicher Wirkstoff wird in einem Ausmaß verdünnt, das die menschliche Vorstellungskraft strapaziert. So läuft eine der gängigen "Potenzen" von Homöopathika auf denselben Verdünnungsgrad hinaus, als würde man eine zuckerstückgroße Menge der Substanz über das Volumen von Milliarden Galaxien verteilen. Mit anderen Worten: Es ist die größtmögliche Annäherung an nichts. Und damit eine Aufregung um selbiges.

Eine Entemotionalisierung der Debatte kann letztlich nur bedeuten, allein bei nachweisbaren Fakten zu bleiben. Und die sind halt recht einseitig verteilt. Wissenschafter haben unzählige Male nach homöopathischen Wirkungen geforscht, und gefunden haben sie dabei einmal mehr: nichts. Nur der Placeboeffekt und subjektives Empfinden sind übriggeblieben. Für all die Aufregung ist das eine reichlich dünne – oder hochpotenzierte – Suppe. (Jürgen Doppler, 2.12.2018)