Große Parteiversammlungen haben es oft nicht so mit der Pünktlichkeit. Die Wiener Grünen sind da keine Ausnahme. Am Samstag hielten sie ihre 80. Landesversammlung im Palladion XXI im frisch verschneiten Floridsdorf ab.

Die Erwartungen an die erste Landesversammlung nach der Kür von Sozialsprecherin Birgit Hebein zur neuen Spitzenkandidatin und Nachfolgerin von Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou waren groß. Vor allem was die Teilnahme betrifft. Denn insgesamt hatten laut den Wiener Grünen 2.600 Wahlberechtigte im Vorfeld an der Briefwahl teilgenommen, neben Mitgliedern waren auch registrierte Wähler stimmberechtigt und zur Veranstaltung eingeladen. Doch das Palladion wollte Samstagmorgen nicht so recht voll werden.

"Besonderes Gefühl" für Vassilakou

Noch-Vizebürgermeisterin Vassilakou, für die es, wie sie betonte, die vorletzte Rede auf einer Landesversammlung war, eröffnete die Veranstaltung vor rund 200 "Frühaufstehern" mit einem "besonderen Gefühl". Bei der nächste Landesversammlung, die im Sommer 2019 geplant ist, stehe ihre Abschiedsrede an. "Den Abschied werden wir schön gestalten. Ihr werdet nette Worte für mich finden. Also: Spart euch die Blumen und die schönen Worte für das nächste mal auf", forderte Vassilakou ihre Basis auf. Sie hatte bereits angekündigt, bis spätestens Mitte 2019 den Job im Stadtplanungsressort an ihre Nachfolgerin zu übergeben.

Denn dieser Samstag solle einer anderen gehören. "Heute bin ich nur die Vorband. Der heutige Tag gehört neuen Zeiten, er gehört Birgit", betonte Vassilakou: "Vielen Dank für die Rückendeckung, die du mir all die Jahre zukommen hast lassen, und die du jetzt von mir zurück bekommst. Und zwar mit Zinsen und Zinseszinsen."

Hebein will nicht auf Expertise der Konkurrenz verzichten

"Meine Freude ist riesig", eröffnete Hebein ihre erste Rede als designierte Spitzenkandidatin vor der Parteibasis. "Genauso groß ist mein Respekt vor den Aufgaben, die jetzt vor mir liegen". Sie verneige sich vor ihren Konkurrenten für die Nachfolge von Vassilakou: Jugendsprecher Peter Kraus, Klubsprecher David Ellensohn, Bezirksrat Benjamin Kaan und Quereinsteigerin Marihan Abensperg-Traun. "Ich werde niemals auf eure Expertise verzichten, auch in Zukunft nicht, denn nur gemeinsam schaffen wir das".

Bussi.
Foto: APA/Herbert Neubauer

Die Grünen hätten gezeigt, "dass es eine inhaltliche Auseinandersetzung ist", so die grüne Spitzenkandidatin für die Wien-Wahl 2020. Die im internen Wahlkampf diskutierten Themen seien jene, die auch zukünftig für Wien wichtig sind. "Wir sind die einzige ökologische Alternative in dieser Stadt." Das Lob ihrer Vorgängerin gab Hebein zurück: "Wir können auf einige Erfolge zurückblicken. Es ist unumstritten, dass mit der Mary, mit Maria Vassilakou, das 365 Euro Jahresticktet einer unserer großen Erfolge is. Es gibt das, weil es uns Grüne gibt."

Visionen für die Stadt

Die Partei bräuchte weiter Visionen für das Zusammenleben in der Stadt. Die Umgestaltung der Mariahilfer Straße zur Begegnungszone sieht Hebein als "eine gute Vision" für jeden Bezirk. Auf den Lobautunnel kann die Spitzenkandidatin verzichten. "Wir sind eine Ökopartei und werden eine Ökopartei bleiben." Eine Autobahn durch ein Naturschutzgebiet sei "nicht vernünftig". Und: "Wir brauchen dieses Milliardenprojekt nicht." Einen "freundlichen Gruß" richtete Hebein Infrastrukturminister Norbert Hofer (FPÖ) an dieser Stelle aus. Er sei gefordert "Verantwortung zu übernehmen" auch für den Naturschutz. Die Grünen seien die "einzige ökologische und solidarische Alternative in dieser Stadt".

Birgit Hebein will "konstruktiv" die Koalition fortsetzen.
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Zu den Grundsätzen, die Hebein und auch ihre Politik ausmachen betonte sie: "Menschenrechte sind unteilbar, hier verhandeln wir nicht, ich verhandle hier nicht." Sie sei fest davon überzeugt, dass man allen "Angriffen gegen die liberale Demokratie entschieden entgegenwirken" müsse. Egal von welcher Seite sie kämen: "Sei es durch den Islamismus, den Rechtsextremismus oder die gegenwärtige Bundesregierung. Das ist ein Grundverständnis, wie wir Grünen Politik machen und da unterscheiden wir uns von vielen." Trotzdem beruhigte Hebein ihre Basis: Es gebe aber keinen Grund zur Panik, "die meisten Menschen wollen nicht, dass Nazis durch unsere Stadt rennen, sondern sie wollen in Frieden miteinander leben."

Hebein wolle die rot-grüne Koalition "konstruktiv" weiterführen. Hier gelte "Handschlagqualität". Jegliche Spekulationen und Spaltungsversuche seien "ein Blödsinn". Allerdings könnte es sein, das die Grünen künftig klarer sagen, was sie wollen. "Aber wir werden zeigen, was unsere gemeinsamen Kompromisse sind und sagen: Leute das ist Demokratie."

"Keine Überraschung" für Vizebürgermeisterin

Dass Hebein die grüne Spitzenwahl für sich entschieden habe, überrasche Vassilakou nicht, erklärte die Vizebürgermeisterin. "Die Frau ist nicht nur einen anerkannte Sozialpolitikerin, ein Perpetuum mobile, wenn es darum geht jenen die es brauchen, zu helfen, ein unermüdliches Arbeitstier, sondern auch ein strategischer Kopf. Es kommt was auf uns zu", streute Vassilakou ihrer Nachfolgerin Rosen. Hebein habe ihre "volle Unterstützung und Loyalität", so Vassilakou: "Ich bin unglaublich stolz auf dich." Im Gepäck hatte Vassilakou drei Geschenke für ihre Nachfolgerin: Einen Glücksklee, eine "Phrasendreschmaschine" und ein mobiles Fußmassagegerät. "Übrigens, das war meines bisher", scherzte Vassilakou.

Mit der Spitzenwahl hätten die Grünen den "ersten Schritt" zur Erneuerung gemacht, meinte Vassilakou. "Das ist gelebte Demokratie, während bei anderen gemauschelt wird". "Wir haben das eingelöst, was gefordert wird: Offenheit. Dazu gehört Mut und Bereitschaft neue Wege einzuschlagen. Und bei allen, die sich als Wähler registriert haben, die Lust, Demokratie und Teilhabe zu leben."

Maria Vassilakou als "Vorband" für Birgit Hebein.
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Das erste "Etappenziel" sei erreicht, nun heiße es, den Weg der Erneuerung "unbeirrt" weiterzugehen: "Uns neu aufzustellen ist der richtige Weg, geeint in die Zukunt zu gehen, ist die richtige Entscheidung. Weil rechts mit rechtsaußen Schulter an Schulter marschiert", so Vassilakou: "Es beginnt mit dem Verbot von Kopfbedeckungen und geht weiter über Dinge, die man nicht ablegen kann, wie die Hautfarbe oder die Frage, wen man liebt. Wenn es so weiter geht, endet es hinter dem Stacheldraht. Wie zuletzt in Drasenhofen", kritisierte Vassilakou.

Kristöfel neuer Landessprecher

Nach den Reden stand die Wahl des neuen Landessprechers an. Peter Kristöfel wurde mit 56,7 Prozent der abgegebenen Stimmen gewählt. Kristöfel ist Physiker und Mathematiker sowie Bezirksrat bei den Grünen Döbling.

Kristöfel ist Mitglied des Steuerungsteams und damit maßgeblich am Erneuerungsprozess der Grünen Wien beteiligt. Als Landessprecher möchte Kristöfel "die Expertise aus dem Erneuerungprozess weitertragen und für die Umsetzung Verantwortung übernehmen". (Oona Kroisleitner, 1.12.2018)