Ein zerrüttetes Gastgeberpaar, ein König der Subordination und viele geschmacksbefreite Pullis: Katharina Lorenz, Tino Hillebrand und Nicholas Ofczarek (v.li.) im Burg-Weihnachts-Ayckbourn.

Foto: Reinhard Maximilian Werner

Der Vorhang öffnet sich – und alle atmen auf ob des knackigen Bühnenbildes, das die gesamte Portalgröße des Burgtheaters ausfüllt: eine großzügige, zweistöckige Wohnzimmer-Küche-Flur-Landschaft, gut bestückt mit all dem Zeug, das beim Wohnen immer im Weg ist und das einen am jährlichen Gipfelpunkt des Dekorationswahns – zu Weihnachten – vollends den Garaus macht: Bobby Car und Stofftiere, leere Bierflaschen und ein Gebirge von Geschenken.

Hier ist Ausstattung (Bettina Meyer) die halbe Miete: Barbara Frey inszeniert Alan Ayckbourns Weihnachtskomödie Schöne Bescherungen am Burgtheater. Das 1980 uraufgeführte Well-made-play hat einem sozialrealistischen Bühnenbild alleweil noch den Segen gegeben. Bis in die vergilbten Tapetenränder ihres Hauses hinein studiert man die äußerlich sichtbaren Zustände der Familie Bunker, die sich mit Verwandten und Freunden zum großen Fest rüstet. Der Tannenbaum ist von Beginn an "enthauptet" bzw. steht seine an sich edle Spitze knapp unterm Plafond im rechten Winkel weg. Da hat Papa wieder falsch gemessen!

Räderwerk aus Sketches lahmt

Ähnlich wie 2011 bei Oscar Wildes Der ideale Mann (in der Jelinek-Übersetzung) im Akademietheater hebt auch diese großformatige Ensemblearbeit von Regisseurin Barbara Frey mit knusprigen Momenten an. Doch bald schon lahmt das Räderwerk aus Sketches und Tiraden und vermag sich aus seiner angestrengten Verpflichtung zur Groteske kaum zu erheben. Der Stressgrad der Familie, ihre aufgeblähten Streitereien und hausgemachten Dauerprobleme – sie evozieren weitgehend müde Lacher. Wer es wie Frey hier mit Fernsehrealismus aufnimmt, muss speziellere Geschütze auffahren.

Wenn an so einem Weihnachtskracher schon der geringste Verzug spürbar wird, Steigerungsversuche keine Meter mehr machen, dann herrscht Flaute. Szenen werden über Gebühr ausgereizt, Situationen zerdehnt, Pointen verzetteln sich. Vergnügen gibt es punktuell. Rabiatperle des Abends ist Falk Rockstroh als grantiger Onkel Harvey, der eine steile Form des Ausrastens pflegt sowie einen profunden Waffen-Vogel (er war einmal Sicherheitsmann). Zu Beginn sitzt er mit Kopfhörern vor der Glotze und guckt einen Killerhaifischfilm. Um 12 Uhr 58 schreit er "Tarzan!"

Katharina Lorenz und Nicholas Ofczarek geben das zerrüttete Gastgeberpaar Belinda und Neville, deren Eheleben mindestens einen von beiden regelmäßig in Rage fallen lässt. Ist Belinda das feinsinnige, häusliche Mastermind, so hält Neville seine Leidenschaften auf den um seinen Bauch geschnürten Heimwerkergürtel konzentriert. Ayckbourn hat in seinen Theaterstücken schon immer den Frauen die aktiveren, lichteren Parts gegönnt. Und auch hier sind Bernhard, Eddie, Clive & Co in ihren geschmacksunsicheren 80er-Jahre-Pullis (Kostüme: Esther Geremus) nur Varianten des immer gleichen Looser-Typs.

Ein Fall für die Pelletsheizung

Unter ihnen gibt Bernard (Michael Maertens) auf bewährt indignierte Art den König der Subordination. Sein seit Jahren von ihm engagiert betriebenes, aber intensiv und allseits verschmähtes Weihnachtspuppentheater wird diesmal ein Fall für die Pelletsheizung. An seiner Seite lotet Gattin Phyllis (Maria Happel) die unberechenbare Geisteswelt einer alkoholkranken Köchin aus. Eddie (Tino Hillebrand) ist vom Typ "Ich halte durch", auch wenn die Frau und Mutter seiner drei Kinder, Pattie (schön enerviert: Marie-Luise Stockinger), seinetwegen und generell viel schreien muss. Auch Fabian Krügers Festtagsgast, Schriftsteller Clive (bisheriges Werk: ein Buch), löst seiner Freundin Rachel (Dörte Lyssewski) gegenüber nicht die geringsten Erwartungen ein.

Auch wenn sich Ayckbourns Komödie über die Jahre gut gehalten hat, so wäre die Zeit reif für einen neuen Weihnachtskracher, der das hohe Fest der blank liegenden Nerven auf neue Beine stellt. Eine ganze Reihe von Schmähs und Typologisierungen wirkt heute ausgereizt. So blickt man also auf eine Inszenierung, die man vorher schon kannte, und auf eine Vergangenheit, die immer gleich zu bleiben scheint. (Margarete Affenzeller, 2.12.2018)