Leicht, langlebig, ungeliebt: Das Plastiksackerl steht vor einer Zerreißprobe.

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Es liegt noch nicht viele Jahre zurück, da wehrte sich Österreichs Umweltministerium mit Händen und Füßen gegen ein Verbot des Plastiksackerls. Man redete sich auf die EU-Verpackungsverordnung aus, die das verhindere, und betonte die Wahlfreiheit der Konsumenten, die ohnehin zunehmend zu biologisch abbaubaren Kunststoffsackerln griffen. Auch Vertreter der Wirtschaftskammer sahen keinen Handlungsbedarf. Die schlechtere Umweltbilanz des Plastiks sei längst nicht bewiesen, hieß es da. Die Politik dürfe Händler nicht mit Überregulierung überfordern, die Kaufkraft sei schon fragil genug.

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Mittlerweile ist vieles anders. Frankreich hat nichtkompostierbare Plastiksackerln im gesamten Land ebenso verboten wie Italien. Auch in Ländern wie Bangladesch, Bhutan, Burundi und Marokko sind sie tabu. Selbst Papua-Neuguinea und Ruanda zogen sie per Gesetz aus dem Verkehr. Ab 2020 soll sich auch Österreich in die Liste einreihen.

Die Bundesregierung will ein komplettes Verbot von Plastiksackerln im Handel beschließen. Davon ausgenommen sind nur jene, die sich innerhalb eines halben Jahres zu mindestens 90 Prozent zu Wasser, CO2 und Biomasse abbauen lassen. Papiersäcke sind weiterhin zugelassen. Ausnahmen für In-den-Verkehr-Bringer wie Würstelstände, Kebabbuden, Bäckereien und Apotheken gibt es nicht. Die Regierung verspricht jedoch Lösungen und Übergangsregelungen für Kleinunternehmer.

Mikroplastik unter der Lupe

Parallel dazu dürfen in zwei Jahren Mikroplastikpartikel nicht mehr Kosmetikprodukten und Reinigungsmitteln beigemengt werden – sofern es bis dahin keine europäische Lösung gibt. Ziel sei es, in Österreich bis 2025 nachweislich ein Viertel bis ein Fünftel aller Plastikverpackungen zu reduzieren. Das entspricht einem Volumen von rund 60.000 Tonnen Plastik.

Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) spricht von einem "großen Tag in der Umweltpolitik". Auf diesen folgt fast unmittelbar der Beginn der UN-Klimakonferenz in Polen, bei der Österreich den EU-Ratsvorsitz hat. Der Zeitpunkt sei also bewusst gewählt, sind sich Beobachter einig. Köstinger war aufgrund ihrer Klimapolitik zuvor stark in die Defensive geraten.

Die genaue Ausgestaltung des Sackerlverbots ist noch offen. Zugute kommt es auf jeden Fall einem wichtigen Teil der Klientel der Ministerin: Bauern etwa, die Rohstoffe für Bioplastik anbauen. Auch Verbände wie jener für Biogas setzen sich vehement für kompostierbare Einwegsäcke ein.

750 Millionen Plastiksackerl werden im österreichischen Handel jährlich ausgegeben, schätzt Greenpeace. Nicht eingerechnet sind jene, die etwa von Marktstandlern und Bäckern gereicht werden. Weitere 388 Millionen dienen dem Einpacken von Obst und Gemüse. Für ein Verbot sei es also hoch an der Zeit, sagt Greenpeace-Sprecher Lukas Hammer. Dieses müsse aber mit einem Verbot der Gratisabgabe anderer Wegwerfsäcke einhergehen. Sonst verlagere sich das Problem hin zu Bioplastik, das nicht weniger umstritten ist, und zu Papier, dessen CO2-Abdruck viel Luft nach oben hat.

Verpflichtender Mindestpreis

Händler gehörten zu einem Mindestpreis verpflichtet, sagt Hammer. In Irland habe dieser seit 2008 zur Verringerung der Einwegsäcke um gut 90 Prozent geführt.

Rainer Will, Chef des Handelsverbands, sieht im Verbot einen drastischen Schritt, auf den weitere folgen müssen, um ein faires Spiel in der Branche zu gewährleisten. Was für den stationären Handel gelte, müsse auch für internationale Onlinehändler Pflicht werden. Diese sorgten beim Paketversand für einen weit höheren Einsatz von Plastik, betont er und erinnert an Berge von Müll, für die es keinerlei Regulierung gebe.

Österreichs sei mit der freiwilligen Vereinbarung, auf Säcke bei der Kassa zu verzichten, schon jetzt Vorreiter in der EU, ergänzt Will. Im Vorjahr seien damit 110 Millionen Tragtaschen eingespart worden.

Vor allem im Lebensmittelhandel müssen Kunden für Sackerln an der Kassa fast durchwegs einige Cent bezahlen. MPreis verspricht, bis Jahresende auch Obst und Gemüse flächendeckend nur in wiederbefüllbaren, waschbaren Beuteln abzugeben.

Weitaus geringer ist das Engagement für den Sackerlverzicht im Modehandel. Dieses wird meist weiter ungefragt kostenlos ausgehändigt. 80 Millionen Stück gehen in der Branche jährlich über den Kassatisch.

Teller, Tankstelle, Verpackung

Christian Pladerer, Vorstand des Österreichischen Ökologieinstituts, begrüßt vor allem die Einschränkung von Mikroplastik. Ob das Plastiksackerlverbot wirklich ein großer Wurf ist, stellt er infrage. Die Alternativen Papier und Bioplastik seien nur bedingt sinnvoll, solange die Produktion derselben Argarflächen für sich beanspruche. "Es darf keine Konkurrenz zwischen Teller, Tankstelle und Verpackung geben."

Was den Abfall betrifft, so bedeute in Österreich weniger das Kunststoffsackerl als die Plastikflasche ein ernstes Problem. Eine Studie seines Instituts in Salzburg ergab: 76 Prozent des Mülls, dessen man sich unsachgemäß entledigt hatte, waren Getränkeverpackungen. (Verena Kainrath, 2.12.2018)