Eine junge Familie in Berlin, ein Kind ist unterwegs. Man lebt, wie man sich das Leben mit Nachwuchs so vorstellt, wenn man als junges Paar durch die Schauräume bei Ikea schlendert. Der Regisseur David Sieveking hat dem Publikum mit dem Film "Eingeimpft" eine Doku-Schmonzette mit klar verteilten Rollen geliefert. Der Vater, David, will die Tochter – wie er es selbst gewohnt ist – nach den Empfehlungen der Ärzte impfen lassen. Er darf den Tölpel spielen, der Impfempfehlungen und Ärzten vertrauen will und nichts hinterfragt.

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Prototypische "Anti-Vax-Mom"

Die Mutter, Jessica, schlüpft indes in der Rolle einer "Anti-Vax-Mom", deren prototypisch überzeichnete und naive Art Feministinnen erzürnen lassen müsste. Was Impfgegner jemals zum Thema Impfen geäußert haben, die beruflich erfolgreiche und offensichtlich gebildete Frau plappert die Mantras der Seuchenfreunde nach. Sie habe einfach "Respekt vor dem Zeugs, weil ich keine Ahnung habe, ob es wirklich so gut ist", und wolle das Butzerl nicht mit Metall vollspritzen lassen, weil das "total unnatürlich" ist. Jessica will, dass das Kind "metallfrei bleibt". Immerhin: Die Gefährlichkeit von ansteckenden Krankheiten erkennt sie, für das Kleine sucht und findet man eine Tagesmutter, in der Kinderkrippe wäre die Gefahr einer Ansteckung dann doch zu groß. Gott sei Dank kann die Bobo-Zelle sich das leisten, Pech für die Prolos. Segregation statt Verantwortung und Solidarität.

Recherchen in Westafrika

Papa David wird von der Mama Jessica auf Recherche zum Thema Impfen geschickt und wie das Leben so spielt, landet er in Westafrika. Die Mütter in Guinea-Bissau sind dankbar für die Impfungen für ihre Kinder, die sie großteils am Leben erhalten wollen. Keine Spur von Anti-Vax-Moms. Private Tagesmütter sind in Afrika auch nicht das große Thema. Ein netter Kontrast: Dort die afrikanische Mom, die ihre Kids in seliger Unreflektiertheit mit dem ganzen Metallzeugs "vollspritzen" lässt, hier die reflektierte Mutter, die sich gemeinsam mit dem "Departement of Seuchenfreunde" an der "University of Youtube" einen "individuellen Impfentscheid" zu erarbeiten bereit ist und der Pharmaindustrie aber sowas von auf die Finger sieht und klopft.

So geht Verantwortung: "Willst Du auch ein Spritze?" 

Der Höherpunkt des Films: Papa David lässt sich bei einem Arzt impfen, das zweijährige Mädchen sitzt daneben. Als sie die spitze Nadel sieht, fragt Papa: "Willst Du auch eine Spritze?" Die Kleine will eher nicht. Aber wenn es damit allen besser geht? Die Vertreter der evidenzbasierten Medizin toben ob "Eingeimpft" – und das zu Recht. Der Film opfert den wissenschaftlichen Konsens, wonach Impfungen schlichtweg Sinn machen, zugunsten einer Dramaturgie, die Schraten und wissenschaftlichen Außenseitern eine Bühne bietet, die ihnen nicht zusteht.

Was der Film schonungslos zeigt: Die Frage nach der Verantwortung, mit dem Impfen jene zu schützen, die schutzlos sind, wird erst gar nicht gestellt. Wird man Wohlstandsverwahrlosung jemals besser persiflieren können als mit diesem Film? (Christian Kreil, 13.12.2018)

Leuchtende Augen-Faktor: ★☆☆☆☆

Umtauschgefahr-Faktor: ☆☆☆☆☆

Den Beschenkten verärgern-Faktor: ★★★★★

Bereits geöffnete Türchen des Adventkalenders