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Santiago Abascal, Chef der Rechtspartei Vox (li.), durfte am Sonntag jubeln. Sein Kandidat Francisco Serrano (re.) erreichte beim ersten Antritt in Andalusien rund elf Prozent der Stimmen.

Foto: Reuters / Marcelo del Pozo

Jetzt hat sie auch Spanien erlebt: Die Nacht der langen Gesichter – jedenfalls bei den etablierten Parteien. Erstmals seit 36 Jahren verliert der sozialistische PSOE die Macht in Andalusien. Zwar ist die Partei von Susana Díaz auch weiter mit 27,9 Prozent der Stimmen und 33 der 109 Sitze im Regionalparlament die stärkste Kraft. Doch hat sie kaum noch Möglichkeiten, eine Regierungsmehrheit zu schmieden.

Der große Sieger des Abends hieß hingegen Vox. Die Rechtsaußen-Formation, die im Wahlkampf auch die Gegnerschaft zur Migration für sich entdeckt hat, erzielte elf Prozent der Wählerstimmen und damit zwölf Sitze. Sie zieht erstmals in ein spanisches Parlament ein. Mehr noch: Vox hat den Schlüssel zum Regierungspalast in Sevilla in der Hand. Noch am Wahlabend feierten die drei Rechtsparteien – Vox, die konservative Volkspartei (PP) und die rechtsliberalen Ciudadanos (Cs) – den "Wandel" in Andalusien. "Wir werden den PSOE aus der Regierung schmeißen", jubelte Cs-Chef Albert Rivera, dessen Partei neben Vox als einzige Stimmenanteile hinzugewonnen hat. Der junge Anwalt, der sich gern als Liberaler bezeichnet, hat ebenso wenig Berührungsängste mit Vox wie mit dem konservativen PP.

Parolen gegen Korruption

Rivera fordert nun für seinen andalusischen Spitzenkandidaten Juan Marín den Posten des Regierungschefs. Seine Partei hat ihren Stimmenanteil auf 18,3 Prozent verdoppelt, sie stellt künftig 21 Abgeordnete. Der PP hingegen musste deutlich Federn lassen: Mit nur noch 20,8 Prozent und einem Verlust von sechs Punkten ist er nur noch knapp stärkste Kraft der Rechten. Zu viele Korruptionsskandale hat der PP überall in Spanien hinter sich. Ein Teil der verlorenen Stimmen kamen deshalb bei dieser Regionalwahl den Cs zugute, der Rest ging zu Vox.

Doch damit allein sind die 400.000 Stimmen für die rechtsradikale Bewegung nicht zu erklären. Mit ihren Parolen gegen Korruption – auch der PSOE in Andalusien ist davon betroffen – ging sie auch bei jenen auf Stimmenfang, die einst noch in großen Zahlen die Sozialisten unterstützt hatten.

Díaz, die die vergangenen dreieinhalb Jahre mit Unterstützung der Cs regiert und dann das Parlament vorzeitig aufgelöst hatte, konnte das Stimmvolk nicht mehr begeistern. Dazu kommt auch eine allgemeine Politikverdrossenheit: Die Wahlbeteiligung lag mit 58,6 Prozent mehr als fünf Punkte unter jener von 2015. In vielen Hochburgen der Sozialisten fanden mehr als zehn Prozent weniger Wähler den Weg zu den Urnen als vor drei Jahren.

Zusammen weniger

2015 wählten die unzufriedenen sozialistischen Wähler noch Podemos. Doch jetzt musste auch das neue Bündnis Adelante Andalucia (AA) rund um die linksalternative Partei und die postkommunistische Vereinigte Linke (IU) Verluste von 5,5 Prozentpunkten und drei Sitzen hinnehmen.

AA, der Zusammenschluss der beiden, summierte nicht wie geplant die Unterstützer, sondern verlor in der Wählergunst. Eine Entwicklung, die auch spanienweit zu beobachten war: Als 2015 Podemos und IU getrennt bei den Wahlen zum spanischen Parlament angetreten waren, erzielten sie rund sechs Millionen Stimmen. Bei den erneut abgehaltenen Wahlen 2016 gingen sie gemeinsam als Unidos Podemos an den Start und verloren eine Million Wähler.

Geschickter agierte in den vergangenen Monaten Vox-Gründer Santiago Abascal. Der aus dem PP stammende Politiker verstand es, seine Partei in Szene zu setzen. Alles begann mit einer Großveranstaltung im Oktober in der überdachten Stierkampfarena Palacio Vistalegre in Madrid, die sonst die Parteikongresse von Podemos beherbergt und wo die rechte Partei entgegen den Erwartungen vor vollem Hause auftrat.

Franco-Fan und feige Rechte

Abascal nennt den PP "feige Rechte" – und Cs, die in Andalusien mit dem PSOE und in Madrid und Murcia mit dem PP paktierten, "Wetterfähnchen". Er zeigt sich stolz auf die Franco-Diktatur, er wettert gegen Immigranten, Podemos und den Feminismus. Und er verteidigt wortgewaltig die Einheit Spaniens, wenn es gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens geht. Anstatt dazu auf Distanz zu gehen, streiten sich PP und Cs mit Vox seither darüber, wer von ihnen härter gegen die Abtrünnigen vorgeht.

Dieser Diskurs, der bis vor wenigen Monaten eine völlige Randerscheinung in Spanien war, ist mit den Andalusien-Wahlen in der Mitte der Gesellschaft angelangt. Viele in Spanien schauen besorgt auf den bevorstehenden Wahlzyklus: Ende Mai 2019 werden überall im Land die Gemeindeverwaltungen und ein Großteil der Regionalregierungen gewählt.

Am gleichen Tag finden aber auch die Europawahlen statt. Und der in Madrid in Minderheit regierende Sozialist Pedro Sánchez wird die spanischen Parlamentswahlen wohl vorziehen müssen, sollte er an der Haushaltsdebatte scheitern. Auch dies ist mehr als wahrscheinlich. Vox könnte damit in nur wenigen Monaten flächendeckend im ganzen Land vertreten sein. (Rainer Wandler aus Madrid, 3.12.2018)