Ein Onlineportal will die Teilnehmer der Chemnitzer Demonstrationen identifizieren

Foto: APA/AFP/McDougall

Das "Zentrum für Politische Schönheit" sorgt mit einer provokanten Aktion für erbitterte Debatten. Die Gruppe stellte eine Webseite namens "Soko Chemnitz" online, durch die rund 7.000 Teilnehmern an jenen Chemnitzer Demonstrationen identifiziert werden sollen, die vor einigen Monaten für europaweite Aufmerksamkeit gesorgt hatten.

"Kassieren Sie Sofort-Bargeld"

Nutzer können Hinweise zur Identität der gezeigten Demo-Teilnehmer einschicken, teilweise wird ein Kopfgeld ausgesetzt. "Denunzieren Sie noch heute Ihren Arbeitskollegen, Nachbarn oder Bekannten und kassieren Sie Sofort-Bargeld. Helfen Sie uns, die entsprechenden Problemdeutschen aus der Wirtschaft und dem öffentlichen Dienst zu entfernen", heißt es dazu auf der Webseite.

Der "Online-Pranger" sorgt für Kritik. Das Jüdische Forum hat rechtliche Schritte eingeleitet, weil dessen Bilder verwendet wurden. Außerdem prüfen Datenschutzbeauftragte. Auch die Landesregierung in Sachsen hat rechtliche Schritte eingeleitet. Außerdem lieferte sich das Zentrum für Politische Schönheit (ZPS) ein Scharmützel mit der Polizei, die sich etwa darüber beschwerte, dass ihre Telefonnummer auf der Webseite angegeben war. Außerdem beschlagnahmte die Polizei offenbar Gegenstände des ZPS.

Heftige Kritik

Die AfD forderte die Löschung der Seite, die als "Denunzationsportal" bezeichnet wurde. Laut Zentrum für Politische Schönheit kam es zu einer Bedrohungssituation gegen ihr Büro in Chemnitz. "Aus juristischer Sicht haben wir hier einen Konflikt zwischen Kunsturhebergesetz und Datenschutzrecht", sagt der Medienrechtsexperte Peter Hense zum MDR. Vermutlich würden die Initiatoren der Seite aber einige Grenzen überschreiten.

"Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt verwies auf Twitter auf heftige Kritik an seiner Zeitung, nachdem diese einst Fotos von Randalierern beim G20-Gipfel publik gemacht hatte. Der Spiegel lobte wiederum das Projekt. Die Demonstrationen in Chemnitz waren eine Reaktion auf den Mord an einem Einwohner durch Asylwerber. Es gibt starke Hinweise darauf, dass rechtsextreme und neonazistische Gruppen binnen weniger Stunden mobil machten, um aufzumarschieren.

Doxxing

Das sogenannte "Doxxing", also namentliche Outen von Rechtsextremen, hat in der antifaschistischen Szene eine lange Tradition. Ohne derartige Recherchen wäre es oft schwierig, Netzwerke und den Einfluss von Rechtsextremen zu erkennen. Allerdings ist das Vorgehen datenschutzrechtlich heikel. Das Zentrum für Politische Schönheit sorgt regelmäßig mit Kunstaktionen für Schlagzeilen, zuletzt wurde etwa das Shoah-Mahnmal in Berlin im Nachbargarten von AfD-Rechtsaußen Björn Hocke reproduziert. (red, 4.12.2018)