Elektromobilität und alternativ betriebene Fahrzeuge sind in aller Munde. Man sieht sie immer häufiger auf den Straßen, in Magazinen liest man Testberichte und Modellvorstellungen. Grund genug, um der Elektromobilität im Alltag auf den Zahn zu fühlen. Dazu nehmen kommenden Freitag zwei User für ein Wochenende einen Renault ZOE als Testauto in Empfang. Nach einem ausführlichen Test für den User-STANDARD berichten sie der Community von ihren Eindrücken mit dem Elektroauto. Im Zuge der Bewerbung für den Autotest haben bereits zahlreiche User allerlei Fragen zu den "Stromern" gestellt. Die relevantesten Beiträge beantwortet Elektromobilitäts-Experte Martin Dreier, Produktmanager bei Renault.

Wodurch lässt sich ein Elektroauto über einen längeren Zeitraum, speziell in der kalten Jahreszeit, nutzen?

Martin Dreier: Kalte Temperaturen verändern die Zellchemie der Lithium-Ionen Batterie und führen dazu, dass sich die Ladezeit verlängert und die Kapazität der Batterie sinkt. Beim Renault ZOE rechnet man beispielsweise mit einer realen Reichweite von 300 Kilometern, wobei sich diese im Winter verringert – ähnlich wie beim erhöhten Verbrauch von Verbrennern zur kalten Jahreszeit. Durch die serienmäßige Wärmepumpe hält sich der Energieverbrauch beim Heizen und Kühlen jedoch in Grenzen – mit 2 kW Energieverbrauch können so 4 kW Kühl- und 3 kW Heizleistung erzeugt werden. Darüber hinaus lässt sich der ZOE über eine App noch während des Ladevorgangs vorheizen, um so den Energieverbrauch weiterhin zu reduzieren.

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Generell lässt sich die Reichweite von Elektroautos hauptsächlich über den Fahrstil beeinflussen – sanftes Beschleunigen, vorausschauendes Fahren und überlegtes Wählen der Geschwindigkeit. Aufgrund der Überwachungsmöglichkeiten mittels Bordcomputer lässt sich der Verbrauch jedoch gut einschätzen. Eventuelle "Reichweitenängste" verschwinden unserer Erfahrung nach im Alltag rasch.

Wie sieht die Ladeinfrastruktur in Wien für "Laternenparker" aus – und wie sollte ich mein Elektroauto nutzen, wenn ich zum Beispiel über keine eigene Garage verfüge?

Martin Dreier: Da die meisten Besitzer von Elektroautos diese bei sich in der Garage oder in der Arbeit laden, ist die Frage nach dem Laden in Großstädten wie Wien natürlich etwas komplexer. Hier gab es in letzter Zeit jedoch große Fortschritte: Wien Energie hat im Stadtgebiet über 500 öffentlich zugängliche Ladepunkte in Betrieb. Bis Ende 2020 sind hier 1.000 weitere Ladepunkte geplant. Über die Tarife kann man sich auf der Website von Wien Energie informieren. Für die Nutzung der Ladenetzwerke unterschiedlicher Anbieter werden meist eigene Ladekarten benötigt – es gibt jedoch bereits Services, die regions- und länderübergreifend Zugriff auf Ladeinfrastruktur unterschiedlicher Anbieter ermöglichen, zum Beispiel der Renault Z.E. Pass.

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Ein Beispiel zur Orientierung: Für eine "Tankfüllung" für 300 Kilometer (40 kWh Kapazität) bei 11 kW an einer öffentlichen Ladestation von Wien Energie beträgt der Preis knapp 9 Euro im Nachttarif, bis 15 Euro im Tagtarif bei jeweils vier Stunden Parkdauer. Natürlich gibt es regional unterschiedliche Anbieter und auch überregionale wie Smatrics, die sich in ihrem Angebot unterscheiden. Übrigens: Durch seinen serienmäßigen Chamäleon-Lader kann der ZOE mit bis zu 43 kW Wechselstrom laden und so vom erheblich dichteren Wechselstrom-Ladenetzwerk profitieren, was die Suche nach einem Ladepunkt wesentlich erleichtert.

Noch ein Tipp zum Ladeverhalten: Lithium-Ionen Zellen halten am längsten, wenn man langfristige Extrem-Zustände, wie einen komplett vollgeladenen oder fast leeren Akkuzustand vermeidet. Regelmäßiges vollständiges Be- und Entladen ist bei Lithium-Ionen Akkus nicht vonnöten.

Welche Lebensdauer haben Akkus von Elektroautos und für wie viele Betriebsstunden ist so eine Batterie eigentlich ausgelegt?

Martin Dreier: Von Betriebsstunden kann man bei so einer Batterie nicht wirklich reden, da das Verbraucherverhalten dafür zu unterschiedlich ist. Renault gibt beim ZOE in der Kaufvariante eine Garantie für 66 Prozent Restkapazität bei Batterien nach 160.000 Kilometern oder acht Jahren. Unsere bisherige Erfahrung zeigt jedoch, dass die Zellen langlebiger sind als ursprünglich angenommen. Bei der Mietvariante wird eine Restkapazität von 75 Prozent über die gesamte Vertragslaufdauer garantiert.

Oft ist die Batterie eines Elektroautos zur Miete – warum ist das so und kann man sie auch kaufen?

Martin Dreier: Die Mietvariante wird nur bei Renault angeboten und wurde aus dem Grunde eingeführt, Elektroautos erschwinglicher zu machen und die Kosten für die immer noch teuren Lithium-Ionen Akkus auf die Lebensdauer des Autos aufzuteilen.

Die Berechnung des Tarifs ist nach Kilometern gestaffelt und beträgt von 69 Euro pro Monat für 7.500 Jahreskilometer bis 109 Euro pro Monat für 17.500 Jahreskilometer – ab 119 Euro sind die Kilometer dann unbegrenzt. Der erhebliche Vorteil für den Verbraucher ist, dass die Garantie auf die Batterie für die Vertragslebensdauer weiterläuft und ihm stets mindestens 75 Prozent der Akkuleistung garantiert. Fällt die Kapazität unter diese Grenze, wird der Akku durch einen neueren ersetzt.

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"Alte" Akkus werden bei Renault übrigens nicht weggeworfen, sondern in einem eigens dafür eingerichteten Akku-Reparaturzentrum durch den Austausch einzelner Zellen wieder auf Vordermann gebracht. Darüber hinaus gibt es unterschiedliche Anwendungsmöglichkeiten für Akkus als "Second Life". Beispielsweise arbeitet Renault mit dem "Advanced Battery Storage"-System, das mit über 2.000 Akkus zu Lastmanagement-Zwecken im französischen und deutschen Stromnetz eingesetzt werden soll. Da die ungleichmäßige Produktion erneuerbarer Energien das Netz stärker belastet, können Elektroautos als Ausgleichsspeicher verwendet werden: Diese nehmen sich Energie wenn es zu viel davon im Netz gibt, und speisen ein wenn es zu wenig gibt. Mit 60 Megawattstunden Kapazität und bis zu 70 Megawatt Leistung wird es das größte seiner Art in Europa sein.

Welche Förderungen gibt es derzeit für Elektroautos?

Martin Dreier: Es gibt zahlreiche regionale Förderungen – das derzeit bestehende staatliche Fördersystem gilt bis Ende des Jahres und wird voraussichtlich in ähnlicher Art und Weise auch im Jahr 2019 fortgeführt. Sollte man sich jetzt ein Elektroauto kaufen wollen, kann man sich auf der Website registrieren und muss innerhalb von 24 Wochen die Anmeldung eines Elektroautos nachweisen. Darüber hinaus muss auch die Rechnung des Autos einen spezifischen Passus enthalten und der Importeur einen Anteil der Förderung mitbezahlen.

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Interessierte Kunden sollten sich auf jeden Fall auch beim Händler informieren, welche Förderungen zusätzlich lokal möglich sind.

Einen Verbrennungsmotor und die entsprechenden Autos kennt jeder Mechaniker und jeder Pannendienst. Worauf muss ich achten, wenn ich mit einem E-Auto den Pannendienst rufen möchte?

Martin Dreier: Gleich wie bei modernen Verbrennern wird der Pannendienst kleinere Pannen durch Auslesen und Löschen des Fehlerspeichers oder dem Ersetzen der 12-Volt-Batterie beheben können. Pannenhelfer sollten jedoch als elektrotechnisch unterwiesene Personen im Umgang mit Elektroautos vertraut sein.

Sollte es notwendig sein, dass das Auto auf einem Transporter oder Anhänger zur nächsten Werkstatt gebracht werden muss, dann bitte im Falle des ZOE am besten zu einem Renault Händler mit "Z.E.-Experten"-Status, da diese über die Voraussetzungen zur Untersuchung des Hochvoltakkus verfügen. Beim Abschleppen gibt es von Fahrzeug zu Fahrzeug unterschiedliche Vorschriften, die man den Bedienungsanleitungen entnehmen kann. Sollte es zu einem Unfall kommen, öffnet sich ein Hochvolt-Relais und der Spannungsfluss wird sofort unterbrochen.

Von der Pannenstatistik her ist ein Elektroauto aufgrund weniger bewegter Teile, durch den simplen Aufbau des Motors mit meist nur einem Gang mit Reduktionsgetriebe, eher weniger pannenanfällig – hierzu gibt es jedoch noch keine verlässlichen Statistiken. Bei den Wartungskosten erspart man sich laut unserer Erfahrung etwa ein Drittel seines Geldes, aus demselben Grund. (Martin Dreier, 5.12.2018)