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Die Transaktionsvolumen in den Finanzmärkten gehen täglich in die Billionen. Doch das ist nicht das Problem.

Foto: AP/ Ahn Young-joon

Die Idee einer Finanztransaktionssteuer wurde vor 46 Jahren vom verstorbenen US-Ökonomen James Tobin entwickelt. Sie wurde in den 1990er-Jahren zum Liebkind der Globalisierungskritiker, die dachten, mit einer Abgabe auf Finanzspekulationen viele Probleme der Welt auf einen Schlag lösen zu können – die Antiglobalisierungsbewegung Attac trägt sie als Abkürzung in ihrem Namen. Und sie hat nach der Weltfinanzkrise 2008 eine Renaissance erlebt, mit Österreich als führendem Förderer. Alle Parteien im Nationalrat sowie Ökonomen aus allen Lagern haben sich vehement dafür ausgesprochen.

Nun wurde sie unter österreichischem EU-Vorsitz zu Grabe getragen. Viele sehen die Schuld bei der allmächtigen Finanzlobby, Stephan Schulmeister macht im Ö1-"Morgenjournal" den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron persönlich dafür verantwortlich, weil der ja einmal ein Banker war. Wenn Schwurbelökonomen solche Thesen vertreten, dann weiß man, dass da etwas nicht stimmen kann.

Eine Lösung sucht ein Problem

Auch wenn das hierzulande wenige hören wollen: Um die Finanztransaktionssteuer ist es nicht schade. Sie ist ein unsinniges Konzept, das in der Praxis nicht umsetzbar ist. Und selbst wenn sie ihre Ziele erreichen könnte, wäre niemandem damit gedient. Sie ist, wie ein Ökonom einmal sagte, "eine Lösung auf der Suche nach einem Problem".

Das Problem beginnt mit einem inneren Widerspruch: Die Steuer auf möglichst alle Finanzgeschäfte soll den Finanzsektor höher besteuern, was oft mit dem wirtschaftlichen Schaden gerechtfertigt wird, den Spekulanten etwa rund um die Lehman-Pleite 2008 angerichtet haben. Gleichzeitig soll sie aber die Handelsvolumen in den Märkten reduzieren und so das Finanzsystem stabiler machen.

Was ist das Ziel?

Das ist ein klassischer Zielkonflikt. Wird als Folge der Steuer tatsächlich viel weniger gehandelt, dann gibt es auch weniger Einnahmen. Diese wurden im Zuge der jahrelangen Debatte übrigens mehrfach beansprucht: von Linken für die Entwicklungshilfe, von der EU-Kommission für das EU-Budget, von den Finanzministern für die eigenen Haushalte.

Aber wie das bei Transaktionssteuern typisch ist, weiß man nicht, wer die Abgabe letztlich bezahlen würde. Banken würden sie so weit wie möglich an Unternehmenskunden weitergeben, die an Verbraucher. Dass man den Finanzsektor damit trifft, ist ungewiss.

Und das Vorhaben, die Spekulation einzudämmen, beruht auf einem massiven volkswirtschaftlichen Irrtum. Es ist nicht die Zahl und die Größe der Finanzgeschäfte, was in Märkten Turbulenzen hervorruft, sondern die Volatilität. Und die sinkt tendenziell mit dem Handelsvolumen. So wie ein Tsunami erst im seichten Wasser sichtbar wird, sind liquide Märkte der beste Schutz gegen massive Ausschläge. Der größte Finanzmarkt der Welt ist der Handel zwischen Euro und Dollar. Die Kurse bewegen sich zwar ständig, verursachen aber wenige volkswirtschaftliche Probleme.

Leichte Umgehung

Gescheitert ist die Finanztransaktionssteuer aber letztlich daran, dass sie zu leicht zu umgehen ist. Finanztransaktionen lassen sich mit geringem Aufwand anderswohin verlagern. Die ganze Welt müsste mitmachen, und das ist einfach unrealistisch. Denn wer ausschert und Transaktionen nicht besteuert, kann den gesamten Welthandel für sich gewinnen. Ein rechtlich durchsetzbarer Weg, wie dies gestoppt werden kann, wurde bisher nicht gefunden.

In der EU hat das dazu geführt, dass jedes Land Ausnahmen für jenen Bereich wollte, der für den eigenen Finanzmarkt lukrativ oder wichtig ist. Währungen wurden bald ausgeklammert, dann alle Anleihen, schließlich flogen die – besonders spekulativen – Derivate. Nun bleiben nur Aktienkäufe übrig, bei denen die Steuer schwer umgangen werden kann, weil es um rechtlich abgesicherte Unternehmensanteile in einem nationalen Rechtsrahmen geht.

Bitte keine Aktiensteuer

Doch welchen Zweck hat es, Aktiengeschäfte mit einer Sondersteuer zu belegen? Wollen wir Investoren davon abhalten, in Unternehmen zu investieren? Solche Stempelsteuern wurden in Großbritannien, Österreich und anderen Ländern über die Jahre abgeschafft, um die eigene Börse attraktiver zu machen. Ihre Wiedereinführung, nur um irgendeinen Erfolg vorzuweisen, wäre ein wahrer Schildbürgerstreich.

Die Finanztransaktionssteuer ist vor allem Ausdruck eines dumpfen Ressentiments gegenüber dem Feindbild des Spekulanten und hat keinerlei überzeugende Begründung. Vor einigen Jahren war davon die Rede, dass damit der gefährliche Computerhandel beziehungsweise dessen Manipulation durch große Fonds (Front-Running) eingedämmt werden kann. Aber auch das hat sich als überschätztes Problem erwiesen.

Was man besteuern soll

Es wäre an der Zeit, dass Politiker wie Ökonomen die Idee der Finanztransaktionssteuer fallenlassen. Besteuert werden sollte 1) das, was schädlich ist, zum Beispiel Treibhausgasemissionen; 2) was sich nicht durch Verschiebungen ins Ausland umgehen lässt, zum Beispiel Grundstücke; und 3) was geringe unbeabsichtigte Verhaltensänderungen hervorruft, zum Beispiel Erbschaften. Die Finanztransaktionssteuer erfüllt keines dieser Kriterien. Die Aktiensteuer erfüllt das zweite Kriterium, aber nicht die beiden anderen.

Natürlich kann man stattdessen auch Macron und bösen Bankern die Schuld daran zuschieben, dass das Allheilmittel gegen die Übel des Kapitalismus wieder einmal nicht kommt. (Eric Frey, 4.12.2018)