London – Umdatierungen naturgeschichtlicher Ereignisse aufgrund neugewonnener Daten sind gang und gäbe. Die Zeiträume können tausende oder gar Millionen Jahre umfassen. Dass eine Zeitmarke gleich um eine satte Milliarde Jahre versetzt wird, hat man allerdings nicht alle Tage. Eine Studie britischer Forscher regt nun aber an, dass dies bei den Anfängen der oxygenen – also Sauerstoff freisetzenden – Photosynthese notwendig sein könnte.

Obwohl die Photosynthese einer der zentralen biologischen Prozesse auf der Erde ist, weiß man nicht, wie lange er schon abläuft. Vor den Pflanzen beherrschten ihn bereits Cyanobakterien (auch "Blaualgen" genannt). Wie lange es diese schon gibt, ist aber ebenfalls unbekannt, Schätzungen reichen von 2,8 bis 2,1 Milliarden Jahren. Mitten in dieser Zeitspanne lag die sogenannte Große Sauerstoffkatastrophe vor 2,4 Milliarden Jahren: Binnen relativ kurzer Zeit setzten damals Organismen derartige Mengen an Sauerstoff – das Abfallprodukt der Photosynthese – frei, dass die Erdatmosphäre einen grundlegenden Wandel hin zu ihrer heutigen Zusammensetzung vollzog.

Berechnung ...

Ein Forscherteam um Tanai Cardona vom Imperial College London glaubt aber nicht, dass die oxygene Photosynthese erst 2,4 Milliarden Jahre alt ist. Als Indiz dafür dient den Wissenschaftern nicht uraltes Gestein mit Spuren von Mikrofossilien. Sie versuchten, das Rätsel um den Ursprung der Photosynthese von der genetischen Seite her aufzurollen.

Cardonas Team analysierte einen für die Photosynthese grundlegenden Molekülkomplex, das Photosystem II. Dieser enthält zwei Proteine (D1 und D2), die einmal identisch gewesen sein müssen, sich aber auseinander entwickelt haben. Sie entsprechen einander sowohl bei Pflanzen als auch bei Cyanobakterien nur noch zu 30 Prozent.

Mit artenübergreifenden Analysen und jeder Menge Statistik versuchte Cardonas Team zu berechnen, wie lange es gedauert haben muss, bis sich D1 und D2 bis zu diesem Status auseinanderentwickelt haben. Das Ergebnis: mindestens eine Milliarde Jahre. Und so lange hätte es damit auch eine frühere Version der Photosynthese gegeben, ehe Cyanobakterien und Pflanzen die bis heute verwendete Molekülkombination in ihren Körpern etablierten.

... und Ergebnis

Nicht nur die primitivere anoxygene Photosynthese, bei der kein Sauerstoff freigesetzt wird, sondern auch die oxygene wäre damit sehr alt: etwa 3,5 Milliarden Jahre, wenn die Forscher mit ihrer Vermutung recht haben. Das ist beachtlich, immerhin ist unser ganzer Planet "nur" 4,6 Milliarden Jahre alt.

Cardona spricht von einem "massiven" Perspektivenwechsel: Die Photosynthese sei wohl ein Prozess, der viel einfacher beziehungsweise schneller entstehen kann als gedacht. Implikationen habe das nicht zuletzt für die Exobiologie: Die Chance, dass sich auf anderen Planeten Leben entwickelt hat, sei damit "ziemlich hoch". (red, 9. 12. 2018)