Wie attraktiv ist eine Karriere in der Forschung in Österreich heute?

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Wissenschaft als Beruf", ist eine Schrift, die der deutsche Soziologe Max Weber vor knapp 100 Jahren veröffentlichte, mit dem berühmten Satz darin: "Das akademische Leben ist also ein wildes Hasard." Er spricht darin über die Aufstiegsbedingungen für junge Wissenschafter – praktisch ausschließlich Männer – im deutschsprachigen akademischen Betrieb. Da gab es die steile Pyramide zur Professur, die kaum bezahlten und unsicheren Nachwuchspositionen sowie das Phänomen der Privatdozentur, das die frisch Habilitierten aus dem akademischen Arbeitsmarkt rauskippte … und aus diesem Niemandsland heraus konnten sie sich für Professuren bewerben. Reiche Eltern waren also genauso nützlich wie Spezialisierung und brillante Forschungsideen.

Wie attraktiv ist eine Karriere in der Forschung in Österreich heute? Heute ist nicht gestern; und doch ist noch ein bisschen Gestern im Heute. Dieses Vexierbild erlaubt keine einfachen Antworten. Das Hasardieren ist abgefedert, durch den Sozialstaat, einen breiten Arbeitsmarkt für AkademikerInnen, durch gewerkschaftliche Vertretung, Karrieremodelle in der akademischen Forschung, internationale Möglichkeiten und vieles mehr. Zugleich bleibt im Kern eine zweifache Unsicherheit auf der Reise vom Doktorat bis zur Professur:

• Zum einen ist die Pyramide immer noch steil. Von der englischen Royal Society gibt es ein instruktives Schaubild, das die "very leaky pipeline" bis zur Professur zeigt, mit weniger als einer Berufung pro hundert PhDs. Das ist in allen Ländern ähnlich und die Zunahme von PhDs und PostDocs in vielen Disziplinen verschiebt dieses Verhältnis weiter. Das heißt freilich nicht, dass die nicht zur Professur Gelangten ruiniert vom Spieltisch aufstehen: Die allermeisten machen Karriere in Wirtschaft und Gesellschaft. Rechtzeitig klare Entscheidungen treffen ist jedoch in diesem Zusammenhang keine blöde Idee.

Zum anderen ist Wissenschaft als Beruf notwendiger Weise massiv unsicher: Wir wissen vorher nicht, welche Ideen sich durchsetzen werden, welche Forschungsfelder sich wie entwickeln und welche academic tribes im Kampf der Clans und Stämme welche Geländegewinne erzielen. Das ist auch gut so: In der Forschung wird aus dem Unbekannten das Bekannte gemacht und die Zukunft verhandelt.

Über 20.000 Forscherinnen und Forscher ("Vollzeitäqivalente") gibt es in Österreich im öffentlichen Sektor, vor allem an den Universitäten und über 50.000 in der Wirtschaft. Beide Sektoren sind rasch gewachsen. So gesehen ist es ein interessanter Arbeitsmarkt. Während in der Industrie vom Einstieg an meist klare Karrieremuster bestehen, ist der akademische Arbeitsmarkt durchwachsener und herausfordernder: Mit 40+ ein später PostDoc auf Drittmittelbasis, das ist definitiv kein guter Karriereverlauf.
Was sind also nützliche Fragen für junge Menschen, die darüber nachdenken, ob sie den Klimawandel bekämpfen, den Populismus analysieren, dunkle Materie ergründen oder Therapien gegen schwere Krankheiten entwickeln wollen?

• Soll ich überhaupt Wissenschafterin werden? Fast alle die es geschafft haben sagen: "Unbedingt, wenn du starke Ideen hast, und Durchhaltevermögen." Österreichische Universitäten bieten zunehmend interessante Karrieremodelle an und werden auch zunehmend für junge Stars (und dual career Paare, siehe https://dcss.wwtf.at) aus aller Welt attraktiv.

• Verarme ich, wenn ich das in Österreich mache? Keine Sorge, nein, wenn es einen halbwegs klaren Karrierepfad gibt. Das Gehaltsniveau österreichischer Forscher im akademischen Bereich ist laut Studien im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hoch, auch für Nachwuchsstellen.

• Wo und wie soll ich mein PhD machen? An einem möglichst forschungsstarken Ort und möglichst als Teil einer Doktoratsschule. Dort gibt es strenge Qualitätssicherung, klare Regeln, oft interdisziplinären Dialog und eine starke Annäherung an das, was das PhD eigentlich ist, nämlich die erste echte Phase im Berufsleben.

• Was blüht mir als PostDoc? Im Idealfall internationale Erfahrung, weil das Wandern und Lernen an forschungsstarken Einrichtungen wichtig ist. Die Gefahr ist es, eine Arbeitskraft zu werden, auf deren Karriere niemand schaut und dann gibt es irgendwann das 40+ Schicksal. Daher muss der Umstieg in eine Laufbahnstelle oder in die Wirtschaft durch eigene Anstrengungen, aber auch durch Mentoring und Training aktiv angestrebt werden, etwa so.

• Was ist eine Laufbahnstelle? Mehr und mehr österreichische Universitäten bieten solche Stellen an, die international tenure track heißen: Talente werden früh aber streng ausgewählt und können dann in mehreren Evaluierungsschritten die Professorenkarriere antreten: vom Assistant über den Associate zum Full Professor. Der tenure track ist traditionellen heimischen Lösungen überlegen: Er gibt früh Sicherheit, dass bei sehr guten Leistungen ein Karrierepfad durchlaufen wird, auch weil im track keine allgemeinen Stellenausschreibungen erfolgen, sondern die Person an ihren eigenen Leistungen gemessen wird. Gibt es allerdings kein hohes Qualitätsbewusstsein, kann so ein System zu einem Freifahrtschein für das Mittelmaß werden.

• Bin ich Professorin oder Professor, hab ich es dann so richtig geschafft? Na sicher, was für eine Frage!

• Hacken sich die Forscher gegenseitig die Augen aus? Ja und nein. Die scientific community ist hoffentlich möglichst kompetitiv und möglichst wenig intrigant und neidig. Es gibt die erstaunlichsten Beispiele für Solidarität, Altruismus und Gemeinheit, wie fast überall sonst auch. Drittmittel für Projekte sind für die vielen tollen ForscherInnen in Österreich leider eher knapp bemessen. (Michael Stampfer, 10.12.2018)