Wolfgang Sobotka (Archivbild) warb in Moskau für den Dialog der Parlamente.

Foto: Matthias Cremer

Tauwetter in Moskau. Das Thermometer am Eingang der Duma zeigt zwei Grad über null an. Schnee und Frost der vergangenen Wochen haben sich in Luft aufgelöst. Und so trübt Nebel die Aussichten in Moskau. Die Wetterdaten umschreiben ziemlich genau auch das russisch-österreichische Verhältnis. Beide Seiten sind sichtlich um Erwärmung bemüht, doch so ganz klar ist nicht, wie es nach dem jüngsten Spionageskandal weitergehen soll.

Außenministerin Karin Kneissl hat ihre für Anfang Dezember geplante Visite absagen müssen. Parlamentspräsident Wolfgang Sobotka hingegen ließ sich von dem Trubel nicht beirren, "weil die Reise über sieben Monate vorbereitet wurde", wie er zur Begründung sagt. Es sei wichtig, dass die Parlamente den Dialog aufrechterhielten und sogar noch verstärkten, meint er.

Hauptprogrammpunkt seines dreitägigen Besuchs sind daher auch ein Treffen mit Duma-Chef Wjatscheslaw Wolodin und eine Rede vor dem russischen Parlament, während Besuche im Bürgerrechtszentrum Sacharow und im jüdischen Museum sowie Treffen mit Vizeaußenminister Wladimir Titow und Vizepremier Dmitri Kosak den parlamentarischen Austausch rahmen.

Historischer, aber weicher Auftritt

Sobotkas Auftritt in der Duma hat durchaus historischen Charakter. 17 Jahre sei es her, seit zuletzt ein österreichischer Parlamentsvorsitzender in Moskau gewesen sei, wird Wolodin hinterher die lange Lücke im parlamentarischen Dialog anmahnen. Noch länger, nämlich gut 20 Jahre, ist es her, seit ein solcher in der Duma gesprochen hat. Zuletzt haben sich westliche Politiker solche Auftritte wegen der gespannten Beziehungen ohnehin erspart. Sobotka aber beginnt mit Streicheleinheiten für die russische Seele, nennt das Land eine Großmacht, erinnert mit Dank an die Verdienste der Roten Armee bei der Befreiung Europas vom Faschismus und die Rolle der sowjetischen Führung bei der Wiederherstellung von Österreichs Souveränität. Dafür gibt es Beifall.

Der verebbt, als Sobotka auf die Ukraine-Krise zu sprechen kommt. Dabei ist die Kritik des Niederösterreichers an Moskau allenfalls leise, als er das Ende der Sanktionen mit dem Umsetzen des Minsker Abkommens verbindet und in der Kertsch-Krise "beide Seiten zur Deeskalation" aufruft. "In einer Partnerschaft ist kein Platz für Cyberattacken und Spionage", sagt er noch, eher in den luftleeren Raum, als an den Kreml gerichtet. Die Stimmung hellt sich auf, als er dann schnell zu Wirtschaftsthemen überleitet und Wiens Unterstützung für das russische Pipelineprojekt Nordstream 2 sowie einen intensiveren parlamentarischen Austausch verkündet. Im Februar dürfen sich so russische Abgeordnete Wien anschauen.

Am Ende gibt es reichlich Applaus und von Wolodin bei der anschließenden Pressekonferenz ein Lob. Der Duma-Chef will sich dort nicht zur Spionageaffäre äußern, bezeichnet stattdessen Sobotka als "Blockadebrecher". Mit seinem Besuch hebe er die Informationssperre zwischen Europa und Russland auf. Denn nur durch Dialog könne Vertrauen entstehen, sagt er, um dann in einem langen Monolog erst die Ukraine und dann auch die westlichen Medien scharf zu kritisieren. Sobotka schweigt dazu. In Moskau hat er Freunde gewonnen. Ob das für die Reise im Jänner nach Kiew auch gilt, bleibt abzuwarten. (André Ballin aus Moskau, 5.12.2018)