Das freundliche Lächeln des Hoteliers täuscht. Der Politiker Franz Hörl schlägt bisweilen unter die Gürtellinie.

Foto: Markus Gorfer

Innsbruck – Franz Hörl ist der politische Pitbull Terrier der Tiroler Volkspartei. Hat er sich einmal in ein Thema verbissen, ist es schwer, ihn zu beruhigen. Wohlgesonnene, und er selbst, sprechen vom Polterer Hörl und versuchen damit den unwirschen Stil des Zillertalers als schrulliges Tiroler Lokalkolorit zu beschönigen. Doch Hörls ausfällige Tiraden überschreiten oft die Schmerz- und Anstandsgrenze. Seine Partei und die Seilbahner, für deren Branche er spricht, scheint dies aber nicht zu stören. Im Gegenteil.

Der Abgeordnete Franz Hörl und seine Tourismuswelt – wo junge Menschen dankbar sind für Splitdienste, weil sie dann genug Zeit zum Skifahren haben.
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Zuletzt sorgte der Gerloser Gast- und Landwirt Ende November für ungläubiges Staunen, als er die vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zur Gutachterin bestellte Ulrike Pröbstl-Haider, ihres Zeichens stellvertretende Leiterin des Instituts für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung an der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien, in einer offiziellen Presseaussendung als "Landschaftsgärtnerin" bezeichnete, die mit ihren "akademischen Hobby-Gutachten" tausenden Tirolern die Lebensgrundlage entziehe.

Die unverschämte "Landschaftgärtnerin"

Auslöser für Hörls Ausfälligkeiten war Pröbstl-Haiders gutachterliche Erkenntnis, die mit ein Grund für den BVwG-Entscheid war, dem geplanten Zusammenschluss der Seilbahnen von St. Anton am Arlberg und Kappl im Paznauntal eine Absage zu erteilen. Dass sich diese "Landschaftgärtnerin anmaßt, über touristische Perspektiven ein Urteil abzugeben", erzürnte ihn offenbar so sehr, dass er gegenüber Medien sogar noch nachlegte.

Nun gut, Hörl ist Seilbahnsprecher der ÖVP und als solcher der Hand verpflichtet, die ihn füttert. Österreichs Seilbahner, die vor allem in Tirol eine Macht sind, lassen ihn seit Jahren an vorderster Front für sich poltern. Auch in der Volkspartei selbst gereicht der rustikale Stil zum beruflichen Aufstieg. Vom Bürgermeister bis zum Landtags- und Nationalratsabgeordneten führte die Karriereleiter schon. Zudem ist Hörl Obmann des Tiroler Wirtschaftsbundes und Vizepräsident der Tiroler Wirtschaftskammer.

Hörl macht sich die Welt, wie sie ihm gefällt

Die Attacke gegen die Boku-Expertin zeigt Hörls Verhältnis zu wissenschaftlicher Erkenntnis. Im postfaktischen Zeitalter stören die nämlich bloß die Tiroler Wintersportidylle. Daher bedient sich Hörl lieber jener Daten, die ihm und seinen Geldgebern gefallen.

Zum Beispiel beim Kitzbüheler Günther Aigner, der als "Skitourismusforscher und Schneehistoriker" tätig ist. Als solcher untersucht er seit 2010 die Schneemengen und Temperaturverläufe in den Alpen. Aigner hat Sportwissenschaften und Wirtschaftspädagogik in Innsbruck studiert, bevor er von 2008 bis 2014 als Marketingleiter für das Wintergeschäft beim Tourismusverband Kitzbühel tätig war.

Neben reger Vortragstätigkeit bietet Aigner heute "Klimastudien" an, die er vor allem im Auftrag von Skigebieten erstellt. Er betont aber, dass seine Forschungen stets unabhängig seien, auch wenn seine Homepage Sponsorenlogos von Seilbahnherstellern und Tourismusverbänden zieren. Die Frage, was ihn zum Klimaforscher befähige, beantwortet Aigner mit "gar nichts". Denn er sei eben Schneehistoriker, der sich allein mit amtlichen Messdaten befasse. Er legt Wert auf die Feststellung, dass er keinerlei Zukunftsszenarien entwerfe, wie das nur Klimaforscher tun.

Die endenwollende Verantwortung des Forschers

Wenn seine Kunden wiederum die Ergebnisse von Aigners Studien dazu nutzen, solche Zukunftsprognosen anzustellen, so sei das nicht ihm anzulasten: "Irgendwo hört die Verantwortung des Forschers auf." Genau das tun aber Hörl und die Tourismusindustrie. Immer wieder wird in Pressekonferenzen und -aussendungen auf die Arbeiten Aigners verwiesen.

Der Kitzbüheler bietet seine Forschungsergebnisse in drei verschiedenen Ausführung an. Etwa was die Wintertemperaturen angeht. Einmal gibt es die Studien dazu, basierend auf einem Beobachtungszeitraum, der mit Beginn der Aufzeichnungen einsetzt. Diese Version kommt zu dem Ergebnis, dass die alpinen Winter messbar milder werden.

Version zwei befasst sich mit einer Zeitachse von 50 Jahren, dem Beginn des Massenskitourismus, wie Aigner erklärt. Diese Messdaten würden belegen, dass es zu "keiner signifikanten Temperaturänderung" im besagten Zeitraum gekommen ist. Version drei beleuchtet schließlich nur die vergangenen 30 Jahre, weil das der "kürzeste klimarelevante Zeitraum" sei und die Diskussion über ein mögliches Ende des alpinen Skisports aufgrund des Klimawandels eben "genauso alt ist".

Diese Messdaten, so Aigner, würden wiederum zeigen, dass die Winter sogar um ein bis 1,5 Grad Celsius kälter geworden seien. Und genau jene 30-jährige Messreihe ist es auch, die von Hörl zur Argumentation herangezogen wird, wenn er Klimaforscher Lügen strafen will.

So etwa im Frühjahr 2016 in der Tiroler Tageszeitung, als die Tourismusbranche einen schneearmen Winter durchlebte, den Forscher als spürbare Folge des Klimawandels erklärten. Hörl konterte auf Basis von Aigners Studien: "Ich kann verstehen, dass die Damen und Herren ihren Job und ihre Fördergelder abgesichert haben wollen, gebe allerdings zu bedenken, dass die Prognosen von vor 15 Jahren einfach nicht eingetreten sind. Es ist vielmehr so, dass die Winter auf den Berggipfeln kälter geworden sind. Das mag ein Paradoxon sein – es ist aber ein bewiesenes Faktum und keine wackelige Modellrechnung."

Kritik vom Klimaforscher

Von wissenschaftlicher Seite kommt Kritik an Aigners Arbeit. Etwa von Marc Olefs, Leiter der Abteilung Klimaforschung an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG): "Seine Studien stimmen zwar zum Teil, zeigen aber immer nur die Ausschnitte, die ihm vom Ergebnis her gerade passen." Olefs verweist auf die in der Wissenschaft anerkannten Forschungsergebnisse, die in den vergangenen 90 Jahren eine Temperaturerhöhung um rund zwei Grad Celsius in den Ostalpen belegen. Zudem habe die Schneehöhe in den vergangenen 60 Jahren signifikant abgenommen.

Aigner wiederum weist diese Kritik zurück und stellt die den von Olefs zitierten Ergebnissen zugrunde liegenden Zeitreihen infrage: "Warum wird dort nur die Schneehöhe der vergangenen 60 Jahre herangezogen?" Es gebe vielerorts Messdaten, die weiter zurückreichen und somit aussagekräftiger seien. Die Kritik an seiner Arbeit, ist Aigner überzeugt, sei "eher ideologisch motiviert als fachlich begründet".

"Hörl disqualifiziert sich selbst"

Doch zurück zu Seilbahnsprecher Franz Hörl und seinem Verhältnis zur Wissenschaft. Die von ihm zuletzt angegriffene Boku-Professorin Pröbstl-Haider kann über seine Attacken nur lachen: "Ja, das ist unter der Gürtellinie, aber er disqualifiziert sich damit selbst." Besonders amüsant sei die Tatsache, dass ausgerechnet sie seit Jahren immer wieder als Gutachterin für die Seilbahnbranche tätig ist und auch die Wirtschaftskammer gern auf ihre Expertise zurückgreift.

Pröbstl-Haider verweist aber darauf, dass Hörl mit seiner Tirade eigentlich das Gericht selbst angegriffen und letztlich desavouiert habe. Denn sie habe das Gutachten als beeidete Sachverständige im Auftrag des BVwG erstellt. Das Gericht selbst kommentiert Hörls Aussagen trocken damit, dass die abschließende Beurteilung von Sachverständigengutachten der zuständigen Richterin obliege. Und: "Im UVP-Verfahren hinsichtlich der Skigebietsverbindung 'Kappl-St. Anton' wurde die Qualifikation der bestellten Gutachterin für den Fachbereich Tourismus von den Verfahrensparteien nicht infrage gestellt und auch kein Ablehnungsantrag eingebracht."

Die am BVwG für den Fall "Kappl-St. Anton" zuständige Richterin habe sich sogar telefonisch bei Pröbstl-Haider gemeldet, um sich dafür zu entschuldigen, dass sie nun Hörls Beleidigungen ertragen muss. Auch seitens ihrer Studenten an der Boku seien die Angriffe bereits Thema in der Vorlesung gewesen. Entschuldigt hat sich Hörl bislang nicht dafür. (Steffen Arora, 6.12.2018)