Seine erste Begegnung mit dem Judentum war, wie für viele andere auch, im Grunde eine Begegnung mit dem Holocaust. In Anbetracht der direkten Betroffenheit beider Großväter ist dies jedoch kaum überraschend. Die Überraschung kam erst später für seine Familie und Freunde, als er sich 2007 schlussendlich zur Konversion entschied und drei Jahre später mit seiner noch frischen Ehefrau nach Israel auswanderte.

"Als ich nach Hause kam, hatte ich Heimweh"

Der zwanzigjährige Felix – so hieß Eliyah vor seiner Konversion– fand sich in einem planlosen Abschnitt seines Lebens wieder. Daraufhin entschied er sich dafür, nach Israel zu gehen, um dort als Volontär in einer Kibbuz zu arbeiten. Er hat sich nicht viel dabei gedacht, als er in diesem höchst säkularen Institut arbeitete – er war schließlich als "Atheist in einem christlichen Umfeld" aufgewachsen. Als er nach acht Monaten dann jedoch nach Hause zurückkehrte, verspürte er Heimweh. Nach einer ersten Phase der Verwirrung war für ihn klar, dass er irgendwann in Israel leben würde.

Eilig hatte Felix es damals jedoch (noch) nicht. Er beendete seine Ausbildung und arbeitete als Informatiker in Hamburg. Der Plan des Auswanderns festigte sich jedoch immer weiter, und dies führte ihn zu einem sehr ausschlaggebenden Gedankengang: Er würde, wenn er nach Israel gehen würde, nicht wieder ein Außenseiter sein wollen. Mit dieser Begründung beschloss er, zum orthodoxen Judentum zu konvertieren.

Die erste Berührung mit dem Judentum haben viele Europäer zunächst mit dem Holocaust.
Foto: APA/AFP/TOBIAS SCHWARZ

"Ich wurde orthodoxer Jude – damit auch niemand an meinem Judentum zweifelt"

Die Entscheidung stößt auf unterschiedliche Reaktionen: Sein Vater reagiert zunächst verständnisvoll, bevor sich die Skepsis einschleicht. Ähnliches gilt für die Mutter. Der Arbeitsalltag leidet zunächst nicht darunter, mitunter dank einem verständnisvollen Chef.

Mit diesem Wandel stellen sich neue Regeln für Eliyah ein, der nun seinen Alltag komplett umstellen muss, um den neuen, selbstgestellten Anforderungen gerecht zu werden. Mittlerweile spricht er von einer Befreiung: Wenn er am Shabbat sein Telefon nicht benutzen darf, ist dies insofern auch befreiend, dass er es nicht benutzen muss.

"Lasst das mit der Konvertierung"

Als sich Eliyah konvertieren lässt, glaubt er zunächst noch nicht an Gott. Er widmet sich dann jedoch der Lehre seiner neuen Religion und stellt "leider" fest, dass ihm das gelernte einleuchtet. Er sieht zudem das Judentum prinzipiell nicht als missionierende Religion: "Das Missionieren", so Havemann, "ist im weiten Sinne ein Symbol von Intoleranz". So lasse man sein Gegenüber wissen, dass mein sich selbst und die eigene Religion für höhergestellt hält. So schreibt er auch auf der Rückseite seines Buches "Lasst das mit der Konvertierung". Was nach Ironie klingt, ist ihm ernst.

"Meine Frau verbietet mir, in Deutschland mit der Kippa auf die Straße zu gehen"

In seiner Jugend meinte er, Deutschland hätte es geschafft und der Antisemitismus wäre in seiner ursprünglichen Heimat verdrängt. Wenn er jetzt daran zurückdenkt, hält er es für eine naive Aussage. Noch immer hätten Juden in Deutschland zu kämpfen. Es geht so weit, dass er sich nicht mehr getraut, dort mit seiner Kippa aus dem Haus zu gehen. Seine Frau verbiete es ihm sogar, so sehr teilt sie seine Sorgen.

Eliyah Havemann (ursprünglich Felix Biermann) wurde als Sohn des Lyrikers Wolf Biermann und Sibylle Havemann 1975 in Rüdersdorf bei Ost-Berlin geboren. Seine Jugend verbrachte er nach der Ausreise aus der DDR in Hamburg, in der Pfalz und im Elsass. Zum Judentum konvertierte er 2007 und wanderte anschließend 2010 nach Israel aus, wo er nun mit seiner Frau und drei Kindern lebt und als IT-Spezialist arbeitet. Sein Buch mit dem Titel "Wie werde ich Jude? Und wenn ja, warum?" veröffentlichte er 2014. (Theresa Puchegger, Noah Mitchell Lutz, X.12.2018)