Die Regierungsspitze beteuert, keine Sonderbehandlung für Sonderklasseversicherte zu wollen, die Wiener Stadtregierung traut den Ansagen nicht und will das jedenfalls verweigern.

Foto: APA/dpa/Holger Hollemann

Wien – Ungeachtet der erneuten Aussage von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ), wonach keine Sonderbehandlung für Sonderklasseversicherte in Spitalsambulanzen geben werde, kam am Donnerstag klarer Widerstand: Man werde die im Raum stehende Bundesregelung verweigern. "Wir werden das in den städtischen Spitälern nicht anwenden", stellte Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) am Rande eines Medientermins klar. Auch "Fast Lanes" oder VIP-Wartezonen erteilt Hacker eine Absage: "Das kommt nicht in Frage."

Auch eine freie Arztwahl im ambulanten Bereich für Patienten mit mehr Geld werde es in den Wiener Krankenhäusern nicht geben. Das sei im öffentlichen Bereich auch gar nicht möglich, sagte Hacker. Auf die Frage, ob Türkis-Blau die Stadt per Gesetz eventuell doch zur Umsetzung dieser Regelungen zwinge könnte, meinte der Stadtrat lediglich: "Das wird eine Gaudi. Da wünsche ich der Regierung viel Spaß."

Hartinger-Klein hatte zuvor in Brüssel erneut betont, dass es keinen Passus zu Sonderbehandlungen in der Novelle des Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetzes (KAKuG) gebe. "Wenn irgendwelche Formulierungen notwendig sind, die das klarstellen, werden wir das selbstverständlich gesetzlich verändern", betonte die Sozialministerin.

Bereits am Mittwoch habe sie mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) klargestellt, dass es keine Sonderbehandlungen geben werde, so Hartinger-Klein. Die Länder hätten aber "natürlich die Möglichkeit, im Rahmen der Sonderklasse die Sonderklasse-Versicherten im Ambulanzbereich abzurechnen". Allerdings gehe es hier rein "um Abrechnungsmethoden und nicht um Behandlungsmethoden".

"Denkunmöglich" für Korosec

Auch für die Präsidentin des ÖVP-Seniorenbundes, Ingrid Korosec, kommt eine Zweiklassenmedizin durch eine Bevorzugung von Sonderklassepatienten in Spitalsambulanzen "überhaupt nicht in Frage". Vor Journalisten bezeichnete sie es am Donnerstag als "denkunmöglich", dass Patienten mit Zusatzversicherung in Ambulanzen schneller drankommen. Auch der SPÖ-Pensionistenverband übte heftige Kritik an den Plänen.

Dankbar ist für Korosec nur eine Berücksichtigung einer Hotelkomponenten, wie sie auch bei stationären Behandlungen möglich ist. Wie das umgesetzt werden könnte, müssten dann aber die Versicherungen klären. Laut dem von Gesundheitsausschuss beschlossenen Entwurf, könnten den Länder Sonderklassegebühren für jene Ambulanzleistungen ermöglicht werden, die bisher stationär durchgeführt wurden.

Vorstellbar ist für Korosec, bei den langen Wartezeiten für ältere Menschen oder für Familien mit Kindern in den Ambulanzen einzugreifen. Wie das geschehen könnte, ließ sie offen. Die Ankündigung von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), im Gesetz eine Klarstellung zu treffen, unterstützt die Präsidentin des ÖVP-Seniorenbundes.

Keinen "Holzklasse-Eingang"

Heftige Kritik übte auch der SPÖ-Pensionistenverband, der die Regierung aufforderte, den Gesetzestext sofort zu ändern. "Die Regierung plant zwei Eingänge in die Ambulanzen: Einen für die Reichen mit kurzen Wartezeiten und First-Class-Behandlung. Und einen 'Holzklasse'-Eingang", kritisiert Pensionistenverbands-Generalsekretär Andreas Wohlmuth in einer Aussendung. Er befürchtet, "dass durch diese Differenzierung bei den normalen ASVG-Versicherten in der Behandlungsqualität gespart wird".

Dieser heftigen Kritik schloss sich auch Rainer Wimmer, Vorsitzender der Fraktion Sozialdemokratischer GewerschafterInnen (FSG) im ÖGB an: Im Klartext würden die Pläne bedeuten, "die Kreditkarte soll über die Behandlung entscheiden. Die Regierung versucht nun offenbar sogar in den Ambulanzen und Notaufnahmen eine Mehrklassenmedizin durchsetzen."

Für Ärztekammer "längst überfällig"

Die Ärztekammer hingegen begrüßt die vom Gesundheitsausschuss beschlossene Möglichkeit für die Länder, Sonderklassegebühren für jene ambulanten Leistungen einzuführen, die bisher stationär durchgeführt wurden. Damit würde die ambulante Versorgung wieder auf den neuesten medizinischen Stand gebracht und der medizinischen Wirklichkeit angepasst, sagte Wolfgang Weismüller, Vizepräsident und Obmann der angestellten Ärzte in der Wiener Ärztekammer.

Für Weismüller war dieser Schritt "längst überfällig", könnten doch viele Leistungen, die aufgrund des medizinischen Fortschritts mittlerweile ambulant erbracht werden, auch tatsächlich so abgegolten werden. Eine Bevorzugung von Patienten mit Sonderklasse wird es aus seiner Sicht deshalb nicht geben. Schon bisher wurden tagesklinische Leistungen de facto ambulant erbracht.

Die jetzige Aufregung sei daher "unverständlich", meinte Weismüller in einer Aussendung. "Zudem wird damit verhindert, dass künftig ambulante Leistungen an Privatversicherten nur in Privatspitälern erbracht und öffentliche Spitäler für Ärztinnen und Ärzte sowie Patienten unattraktiv werden." (APA, 6.12.2018)

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