IGGÖ-Präsident Ibrahim Olgun tritt nach einem Misstrauensvotum ab. Favorit für seine Nachfolge ist der Rechtsanwalt Ümit Vural.

Foto: APA / Hans Punz

Wien – Die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) steht vor einem Wechsel an der Spitze. Der derzeitige Präsident Ibrahim Olgun tritt nach einem Misstrauensvotum ab, Favorit für seine Nachfolge ist der Rechtsanwalt Ümit Vural. Gewählt wird Samstagabend, wenn die Kultusgemeinden neue Vertreter in den Schurarat – das Parlament der IGGÖ – entsenden. Diese wählen die Mitglieder des Obersten Rats neu.

Vural ist derzeit Vorsitzender des Schurarats und hatte auch den Neuwahlbeschluss in dem Gremium forciert. Hintergrund ist ein Machtkampf in der IGGÖ zwischen zwei türkischen Vereinen und Moscheenbetreibern. Olgun, der gerade einmal zweieinhalb Jahre im Amt ist, steht Atib nahe. Vural sowie der derzeitige Vizepräsident und Kritiker Olguns, Abdi Tasdögen, gehören der Islamischen Föderation an. Diese gehört zur türkisch-nationalistischen Bewegung Milli Görüs.

Moscheenschließungen als Auslöser

Auslöser für den Streit in der IGGÖ war die vorläufige Schließung mehrerer Moscheen durch das Kultusamt. In einer schriftlichen Stellungnahme hatte der Vizepräsident Olgun vorgeworfen, die Moscheen-Schließungen mit einer Anzeige beim Kultusamt veranlasst zu haben. "Ich bin enttäuscht über die politischen Geschehnisse in der Glaubensgemeinschaft", hatte Olgun Anfang November gesagt und seinen Rückzug angekündigt.

Vural gilt in der IGGÖ als Pragmatiker, der die unterschiedlichen Lager einen könnte, so die Hoffnung. Zudem sei er als Rechtsanwalt beruflich unabhängig, betonen Vertraute des voraussichtlich neuen IGGÖ-Präsidenten. Ein weiterer Plus-Punkt: Der aus der Türkei stammende Kurde sei in Österreich voll und ganz "sozialisiert".

Anwalt, Kurde, Kammerrat

Mit Vural tritt ein Pragmatiker an die Spitze der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ). Der aus der Türkei stammende 36-jährige Kurde und Rechtsanwalt soll Samstagabend zum Nachfolger von Präsident Ibrahim Olgun gewählt werden. Der derzeitige Vorsitzende des Schurarats vertritt nicht nur religiöse Interessen, sondern ist auch Mandatar in der Arbeiterkammer.

In der Öffentlichkeit ist Vural bis jetzt nicht groß in Erscheinung getreten. Unter den heimischen (organisierten) Muslimen hat er sich allerdings schon einen Namen gemacht. Der Schurarats-Vorsitzende war es nämlich, der IGGÖ-Präsident Olgun erklärt hat, dass es notwendig ist, die Vertrauensfrage zu stellen und den Weg für vorgezogene Neuwahlen zu öffnen.

Vertraute bezeichnen Vural als ruhigen Juristen und pragmatische, zurückhaltende Person. So habe er sich aus Machtkämpfen in der IGGÖ herausgehalten und sei schließlich gebeten worden, die Aufgabe als Präsident zu übernehmen. 1982 in Yozgat in Zentralanatolien geboren, stammt Vural aus jener Gegend, aus der die meisten Auswanderer aus der Türkei kommen. Als ältestes von vier Geschwistern kam er 1988 mit sechs Jahren nach Österreich. Vural gilt als typisches Gastarbeiterkind: Sein Vater arbeitete als Maurer. Er studierte Rechtswissenschaft und engagierte sich sehr bald als Jugendvertreter in seiner Moschee im Wiener Bezirk Rudolfsheim-Fünfhaus, wo er bis heute wohnt.

Jurist und einst Kicker

Vural ist bekannt für sein soziales Engagement und kandidierte mit einer eigenen Liste "Perspektive" bei der Arbeiterkammer-Wahl 2009, wo er drei Mandate erreichte, die er 2014 auf vier ausbauen konnte. Er setzte sich vor allem gegen Diskriminierung und für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt ein und ist nach wie vor – wie einer seiner Brüder – als Kammerrat aktiv. Auch religiöses Engagement legte Vural an den Tag. So organisierte und moderierte er 2006 eine Großveranstaltung aller namhaften türkisch-islamischen Verbände anlässlich des Geburtstages des Propheten Muhammad in der Wiener Stadthalle mit 12.000 Teilnehmern. Als Jurist versuchte er, das fast fertige und viel kritisierte neue Islamgesetz zu ändern.

Er verfasste auch die neue Verfassung der IGGiÖ und wurde Präsident des Schurarats, dem Parlament der Glaubensgemeinschaft. Vural ist verheiratet und hat drei Kinder. Er spricht Deutsch, Türkisch, Englisch, Kurdisch und ein wenig Arabisch.

Neben türkischer Küche bevorzugt er "Halal Wiener Schnitzel" und Apfelstrudel. Im Gegensatz zur seinen Vor-Vorgänger als IGGÖ-Präsident, Fuat Sanac, der Boxer war, spielte Vural bis 2001 Fußball beim Favoritner AC und schaffte es in die Kampfmannschaft. Heute ist er glühender Rapid-Fan und betont, dass seine Religion trotzdem der Islam geblieben ist. (APA, 7.12.2018)