Meine zwei liebsten neuentdeckten Kochbücher 2018 sind ganz wunderbar alltagstauglich: Beide enthalten sie großteils Rezepte, die mit wenig Aufwand und Zutaten zu machen sind und trotzdem großartig schmecken. Und sie widmen sich den zwei Arten von Essen, die ich am liebsten mag und am öftesten esse: chinesischem und solchem, das schnell aus richtig gutem Gemüse und jeder Menge Kräutern zusammengewürfelt wird. Sonst noch in der diesjährigen Liste: ein Fischschwerpunkt, eine blinde Kaufempfehlung und ein bisschen Eigenwerbung.

Wie jedes Jahr gilt: Hier werden Bücher vorgestellt, die ich 2018 gelesen habe. Sie müssen nicht zwingend auch 2018 erschienen sein.

Six Seasons – a new way with vegetables (Joshua McFadden)

Die Japaner unterscheiden nicht vier, sondern mindestens 16 Jahreszeiten, und das ist für Köche immer noch zu wenig. Jede Pflanze, jedes Tier hat seinen/ihren ganz eigenen Moment, in dem sie/es/er am besten schmeckt, die wiederum je nach Ort und Wetter variieren. Joshua McFadden erweitert das beschränkte westliche Repertoire immerhin um zwei (Früh- und Spätsommer) und teilt das Jahr in sechs Saisonen ein – je nachdem, was der Garten gerade hergibt.

Foto: Tobias Müller

Im Frühlingskapitel gibt es Rezepte für Erbsen, junge Bohnen oder Radieschen, im Hochsommer für Gurken und Karfiol, im Herbst folgen Mais oder Pilze, im Winter ist es dann Zeit für Kartoffeln oder Kohl. Manche Gemüse, etwa die Rote Rübe, haben zwei Auftritte: Es gibt Rezepte für ihre junge (Frühling) und ihre reife (Herbst) Variante. Innerhalb der einzelnen Strecken wird auch noch einmal nach Zeitpunkt unterschieden: Erst kommen Rezepte für ganz frische, junge Gemüse, die McFadden roh oder kurz gegrillt serviert, dann wird es mit fortschreitender Jahreszeit immer gekochter und gewürzter. Und keine Sorge, er ist kein Vegetarier – immer wieder ist auch Fleisch mit dabei. Meist allerdings ist es nicht der Star eines Gerichts, sondern eher Würze.

Foto: Tobias Müller

Das Schöne an den meisten Rezepten ist ihre Schlichtheit: Es sind ziemlich gute Ideen für einfache Geschmackskombinationen, bei denen die einzelnen Zutaten immer noch für sich stehen dürfen. Es gibt wenige Gerichte, die ich diesen Sommer so oft gemacht habe wie McFaddens Salat aus Paradeisern, Mais, Frühlingszwiebeln, Kräutern und Käse oder seine Version eines Melanzani-Currys mit grüner Kräutersalsa, und ich freue mich schon sehr auf die erste Gelegenheit, seine gedämpften Rüben mit scharfer Butter zu machen.

Im Einleitungsteil gibt es als Draufgabe noch einige Rezepte für tatsächlich sehr verwendbare Küchenstaples, etwa eine göttliche scharfe Salsa Verde, ein wunderbares Fischsauce-Dressing oder eine sehr brauchbare Artischocken-Mayonnaise und, last but not least, eine gute Einlege-Einleitung. McFadden ist ein bisschen wie Ottholengi, bloß ohne den Gewürz-Wahnsinn und mit weniger seltsamen Zutaten. Mein Kochbuch des Jahres.

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Every Grain of Rice – Simple Chinese Home Cooking (Fuchsia Dunlop)

Mit dieser Empfehlung bin ich etwas spät dran. "Every Grain of Rice" ist eines von Dunlops ersten Büchern, trotzdem habe ich mir fast alle anderen vorher gekauft. Dieses hat erst heuer seinen Weg in meine Küche gefunden, nachdem ich es bei einem lieben Freund gesehen und studiert habe – und es ist umgehend zu meinem meistverwendeten Dunlop-Buch geworden.

Foto: Tobias Müller

"Every Grain of Rice" ist das einzige ihrer Bücher, das nicht einer bestimmten Regionalküche Chinas gewidmet ist, sondern eine Art "Best of" aus dem ganzen Riesenland versammelt (auch wenn ein Schwerpunkt auf den klassischen Küchen Schanghais, Guangdongs und Sichuans liegt). Die Rezepte sind, wie der Titel verspricht, tatsächlich äußerst alltagstauglich: Sie sind simpel und meist mit drei, vier wesentlichen Würzzutaten zu machen, die in jedem Asiashop erhältlich sind beziehungsweise in jedem Vorratskasten stehen, dessen Besitzer gerne chinesisch kocht – viel exotischer als vergorener Tofu oder gesalzene Enteneier wird es nicht. Und, für ein chinesisches Kochbuch vielleicht am ungewöhnlichsten: Bei den allermeisten von ihnen ist Gemüse der Star, auch wenn Fleisch fast in jedem zumindest als Würze verwendet wird.

Foto: Tobias Müller

Die Suppe mit gesalzenen Enteneiern und Senfgemüse oder der Spinat mit vergorenem Tofu sind mittlerweile Teil meines Standardrepertoires, und hätte mein Asiashop öfter Bittermelonen, die Bittermelonensuppe aus dem Buch käme ebenfalls ständig auf den Tisch. Für chinesische Kochanfänger und Menschen, die selten im Asiashop einkaufen, gibt es zudem ein sehr praktisches Glossar samt sehr guten Fotos, das die allermeisten Produkte erklärt, von diversen Würzsaucen und -pasten bis hin zu bei uns weniger geläufigen Gemüsen wie chinesischen Knoblauchblättern oder Wasserspinat. Ein perfektes Einsteiger- und Alltagsbuch.

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Sautanz – Rezepte aus einer Zeit, als Fleisch noch etwas Besonderes war (Max Stiegl und Tobias Müller)

Das Buch zum Schlachtfest: Bis vor gar nicht so langer Zeit war das Schwein vor allem eine Art lebende Vorratskammer. Im Sommer, wenn es Essen in Hülle und Fülle gab, wurde es mit den Überschüssen fett gemästet. Im Spätherbst und frühen Winter, wenn nichts mehr auf den Feldern wuchs, wurde es dann abgestochen – eine Art zweite, fleischliche Ernte. Und weil das ein großes Fest war, mit viel Wein, Tanz und Musik, hieß und heißt dieser Tag im Burgenland Sautanz.

Foto: Tobias Müller

Für viele Menschen waren der Schlachttag und die folgenden Wochen die einzige Zeit im Jahr, zu der es frisches Fleisch gab. Vor allem der Schlachttag selbst war ein kulinarisches Highlight: Während das Tier zerlegt, eingekocht und verwurstet wurde, wurden all die Teile, die sich nicht so gut halten – die Innereien und das Blut –, frisch verkocht und verspeist – von der gerösteten Sautanzleber bis zu den Bluttommerln, gebratenem geronnenem Blut.

Foto: Tobias Müller

Seit es beheizte Schweinefarmen, Supermärkte und Tiefkühltruhen gibt, ist der Sautanz selten geworden. Der Max Stiegl aber, Spezialist für die schwierigen Teile des Tiers, veranstaltet in seinem Restaurant im Burgenland immer noch jeden Winter mindestes einen. Dabei werden zwei Schweine von sechs Uhr früh bis zum späten Nachmittag komplett zerlegt und verwurstet, währenddessen werden die frischen Innereien verkocht. Und weil das ziemlich gut schmeckt, haben wir gemeinsam ein Buch darüber geschrieben.

Von mir stammen die Texte, von ihm all die Rezepte mit klarem Innereienschwerpunkt: Es gibt geröstete Leber, gegrillte Nieren, Hirn mit Ei, gesottenes Schweinsschwänzchen, gekochten Kopf bis hin zu den frischen Grammeln. Bloß die eigens liebevoll entwickelte Schweinspenissuppe hat uns der Verlag rausgestrichen.

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Four Fish (Paul Greenberg) und Cod – a biography of the fish that changed the world (Mark Kurlansky)

Niemand weiß mehr über den Wald und seine Tiere als der Jäger, und keiner kennt Fische und das Meer besser als der begeisterte Angler. Paul Greenberg ist so einer, und ein guter Schreiber und intelligenter Mensch noch dazu. In seinem "Four Fish" erklärt er die Probleme der modernen Fischerei und ihre möglichen Lösungen. Er erzählt vom besten aller Zuchtfische und warum Sie wirklich keinen Thunfisch essen sollten, warum es keine wilden Atlantiklachse mehr gibt und wie der Kabeljau vielleicht zu einstiger Größe zurückfinden kann. Das alles ist verständlich und schön geschrieben und kommt ohne jegliche Hysterie oder Propaganda aus, in die so manche große Umweltschutzorganisation leider immer wieder verfällt. Nicht mehr brandaktuell, aber immer noch wert, gelesen zu werden.

Foto: Tobias Müller

In seinem "Four Fish" zitiert Greenberg viele Autoren, am häufigsten aber bezieht er sich auf Mark Kurlanskys Buch "Cod". Das Werk ist ganz und gar dem Kabeljau gewidmet und erzählt eindrucksvoll, was für eine enorme Bedeutung der Fisch viele Jahrhunderte lang für die Menschheit hatte: Gesalzen und/oder getrocknet war er bis vor gar nicht so langer Zeit der wichtigste tierische Eiweißlieferant.

Umso tragischer ist sein fast vollständiges Verschwinden nach nur wenigen Jahrzehnten der massiven Überfischung im 20. Jahrhundert. Doch auch Kurlanskys Buch endet hoffnungsvoll – und heute, 20 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung, sieht es tatsächlich so aus, als ob sich die Bestände langsam, aber doch erholen würden.

Foto: Tobias Müller

Kurlansksy Buch bleibt stets kulinarisch, und man liest, dass der Mann gern isst: Abgerundet werden seine Geschichten mit jeder Menge historischen Rezepten, unter anderem für solche Perlen wie Kabeljaulippen, oder Anleitungen, wie man selbst noch die Knochen des Fisches essbar bekommt.

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You and I eat the same (herausgegeben von Chris Ying)

"You and I eat the same" ist eine Sammlung kurzer Texte verschiedener Autoren zu so unterschiedlichen Themen wie Kannibalismus und Pfannkuchen, und ich gestehe, ich habe noch keinen einzigen davon gelesen. Es liegt sein ein paar Wochen aus Zeitmangel unberührt auf meinem Tisch. Ich gehe aber davon aus, dass es ganz toll sein muss. Denn erstens wird es herausgegeben von Chris Ying, einst Co-Chefredakteur von "Lucky Peach", dem zweitbesten Essensmagazin aller Zeiten. Und zweitens ist es das erste einer geplanten Reihe von Büchern, die auf das Mad-Symposium in Kopenhagen und all seine Spin-offs zurückgehen.

Foto: Tobias Müller

Mad heißt auf dänisch einfach essen und ist eine vom Noma organisierte Konferenz, bei der sich alljährlich Köche, Wissenschafter und sonstige kulinarisch interessierte interessante Menschen in Kopenhagen treffen. Ich durfte vor bald neun Jahren beim zweiten Mad dabei sein. Ich habe viele der Menschen, die ich dort erstmals kennengelernt habe, später besucht und für Geschichten porträtiert, etwa Patrik Johanson, den Butterwikinger oder Roddie Sloan, Seeigeltaucher in Nordnorwegen. Ich habe dort erstmals Heuschreckensauce verkostet und von den Fermentierversuchen des Nordic Food Lab gehört, und sogar ein Fan-Foto mit Ferran Adrià ist sich ausgegangen.

Kurz: Was mit Mad zu tun hat, kann meiner Meinung nach kulinarisch nicht ganz uninteressant sein. Und den Titel des Buches finde ich sowieso ganz super, weil: Je mehr ich mich mit Essen beschäftige, desto mehr komme ich zu dem Schluss, dass die allermeisten Menschen mehr oder weniger das Gleiche essen. Hier daher eine blinde Kaufempfehlung. Im schlimmsten Fall veröffentliche ich hier in ein paar Wochen einen Widerruf.

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The Story of Wine (Hugh Johnson)

Es gibt nicht viele Menschen, die sich so gut mit Wein auskennen wie Hugh Johnson. Seit mittlerweile über 30 Jahren gibt er jedes Jahr seinen Weinguide heraus, den ich wärmstens als kleines Grundwissen-Lexikon empfehlen kann. Vor ebenfalls bald 30 Jahren hat er außerdem das leicht größenwahnsinnige Projekt unternommen, die Geschichte des Weins in einem einzigen Buch zu erzählen.

Das ist ihm erstaunlich gut gelungen: "The Story of Wine" verfolgt die Rebe von ihrer Domestizierung vor ungefähr 8.000 Jahren bis, na ja, fast heute – chronologisch erzählt, aber wer ein wenig durchs Buch springt, kann auch die Geschichte(n) der bedeutendsten Weinbaugebiete von Burgund und Bordeaux bis nach Südafrika und Australien am Stück lesen.

Foto: Tobias Müller

Es ist schwer, dieses Buch zuzuschlagen und nicht überzeugt zu sein, dass Wein eine der größten Kulturleistungen des Menschen ist – untrennbar mit seiner Geschichten verbunden ist er sowieso. Wer immer schon wissen wollte, seit wann der Champagner blubbert, warum aus dem Burgund die vielleicht besten Weine der Welt kommen und was das Christentum alles vom Bacchus-Kult übernommen hat, ist hier richtig aufgehoben. Der Wälzer hat ein paar Längen, ist für seinen Umfang – und umfassenden Anspruch – aber erstaunlich spannend und gut zu lesen. Ein Grundlagenwerk mit Unterhaltungsfaktor. Leider, soweit ich weiß, nur mehr antiquarisch erhältlich. (Tobias Müller, 9.12.2018)

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