Wiener-Linien-Chef Günter Steinbauer bei der Präsentation der neuen Straßenbahn-Generation: Ohne modernen öffentlichen Verkehr sind die Klimaziele nicht erreichbar.

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Wien ist Sankt Pölten. Beziehungsweise die Wiener Linien sind Sankt Pölten – was den Energieverbrauch betrifft. 700 Gigawattstunden pro Jahr verbrauchen die Wiener Linien an Energie – genauso viel, wie die niederösterreichische Landeshauptstadt im Jahr verbraucht. Im kommenden Jahr will man in puncto Energieverbrauch sogar kleiner als St. Pölten sein – obwohl die Wiener Linien von Jahr zu Jahr mehr Fahrgäste befördern.

Das ist nicht nur ein ehrgeiziges Ziel eines öffentlichen Transportunternehmens, das ist auch relevant im Hinblick auf die Klimakonferenz, die derzeit in Polen stattfindet. Wer "Klimawandel" und "Erderwärmung" sagt, muss auch "Verkehr" als wichtigsten Faktor denken. Günter Steinbauer, Geschäftsführer der Wiener Linien, macht dafür zwei Faktoren verantwortlich: Einerseits sei der Anteil des öffentlichen am Gesamtverkehr besonders hoch, andererseits sinke – bei steigenden Passagierzahlen – gleichzeitig der Energieverbrauch.

Steinbauer stolz zum STANDARD: "Damit sind wir unter den weltweit Top 5-Unternehmen des öffentlichen Transports." Das besagt zumindest eine Aufstellung des Beratungsunternehmens Arthur D. Little, zu dessen Kunden auch die Wiener Linien gehören.

Einsparung durch Umrüstung

Tatsächlich sind die Fahrgastzahlen der Wiener Linien 2017 noch einmal um 1,23 Prozent gestiegen, sie befördern nun 962 Millionen Fahrgäste pro Jahr. Das Wiener Straßenbahnnetz etwa ist mit 172 Kilometern das sechstgrößte der Welt.

Gleichzeitig sparte die Busflotte im Vorjahr gegenüber 2011 rund 52 Gigawattstunden an Energie pro Jahr ein – das entspricht in etwa dem, was 15.000 Haushalte verbrauchen. Durch die Umrüstung von erdgasbetriebenen auf Dieselbusse wurde der CO2-Ausstoß bei Gelenkbussen um 45 Prozent verringert.

Steinbauer gesteht zu, dass Wien zuallererst von politischen Entscheidungen profitiert, die lange zurück liegen. Der Beschluss vor 50 Jahren, das U-Bahnnetz auszubauen, erweist sich noch heute als Königsidee. Dies sei, sagt der Wiener-Linien-Chef, "die Grundlage, dass unser öffentlicher Verkehr gut funktioniert."

Eigene Geleise

Positiv sei auch die Entscheidung gewesen, Überlagerungen von Schienensträngen zu vermeiden. Dadurch könne man ein kurze Intervalle von Zügen garantieren. Anders als in München, wo sich teilweise drei verschiedene U-Bahn-Linien dasselbe Gleis teilen. Dazu kommt ein geografischer Vorteil: Wien ist innerhalb des Gürtels relativ kompakt, im Gegensatz zum sehr flächigen Berlin.

Zudem biete man ein "offensives Angebot", sagt Steinbauer: relativ kurze Fußwege zu den Haltestellen und eine Jahresnetzkarte um 365 Euro. Erstmals gibt es heuer mit 800.000 Jahreskarten-Stammkunden mehr Öffi-Fahrer als Autobesitzer in Wien.Freilich bleibt noch einiges zu tun – auch im Hinblick auf die Klimaverträglichkeit des Wiener Öffi-Netzes. Für 2019 ist erstmals der Einsatz von E-Bussen im Linienbetrieb geplant – ähnlich wie in München, wo die Umrüstung auf Elektroantrieb auch im kommenden Jahr über die Bühne gehen soll.

Fahrerlose U-Bahn

Bei der Entwicklung vollautomatischer U-Bahnen liegt Barcelona vorne, hier gibt es eine Kooperation mit den Wiener Linien. Siemens baut bereits am ersten Prototypen. Eingesetzt werden soll die erste vollautomatische U-Bahn in Wien ab 2024, sie soll mehr Fahrgästen Platz bieten.

Steinbauers großes Ziel ist allerdings, Wien zur "Mobilitätsdrehscheibe" zu machen. Das bedeute beispielsweise, dass man bei den Wiener Linien CarSharing nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zum öffentlichen Angebot sehe. Wien soll die erste Metropole der Welt werden, in der man einfach, schnell und unkompliziert von einem Verkehrsmittel zum nächsten wechseln kann. In Mobilitätsstationen soll der Umstieg von privaten E-Leihautos, E-Bikes auf Öffis via App möglich gemacht werden. Eine Station gibt es bereits auf dem Simmeringer Platz. Wiener-Linien-Chef Steinbauer träumt aber von einem ganzen Netz solcher Stationen – und von einem Energieverbrauch weit unter dem von St. Pölten. (Petra Stuiber, 9.12.2018)


FAKTENKASTEN WIENER LINIEN:

5 U-Bahn-Linien

83 km Betriebslänge

109 Stationen28 Straßenbahnlinien

172 km Betriebslänge

1053 Haltestellen

128 Buslinien

846 km Betriebslänge

4197 Haltestellen (inkl. Auftragsverkehr und Nightline)

Zahlen 2017:

778.162 verkaufte Jahreskarten

Über 962 Mio. Fahrgäste pro Jahr

3 Mio. Tonnen Co2-Reduktion durch öffentlichen Verkehr

66 neue Niederflur-Straßenbahnen

5 neue U-Bahn-Züge U2/U5