Männer und die Geburten ihrer Kinder: Dabei sein sollte heute selbstverständlich sein – soweit die Partnerin das will. Manchmal kann aber auch Abwesenheit helfen.

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Obwohl ich Vater von vier Kindern bin, habe ich nur dreimal einen Kreißsaal von innen gesehen: das erste Mal, als meine Mutter mich geboren hat (die Details sind leicht verschwommen), das zweite Mal in Vorbereitung auf die Entbindung meines ältesten Kindes und das dritte Mal bei seiner Geburt. Die anderen drei Kinder waren Hausgeburten.

Meine Erfahrungen mit Kreißsälen sind also trotz der überdurchschnittlich hohen Anzahl meiner Kinder ziemlich begrenzt. Ich lege das hier offen, weil mich die Frage umtreibt, wie sich werdende Väter zu verhalten haben, wenn es um die Geburt ihrer Kinder geht. Und nicht nur mich.

Rauchend im Wartezimmer

Denn eines ist klar: Die Zeiten, in denen Männer als Maximalgeste der Unterstützung rauchend im Wartezimmer umhertigerten, sind glücklicherweise vorbei. Moderne Vaterschaft wird schon seit einer Weile nicht nur in diesem Zusammenhang deutlich partizipativer ausgelegt.

Mit zunehmendem Fokus auf die Tatsache, dass das Ganze nicht nur eine obligatorische, wenn auch womöglich verstörende Pflichtaufgabe ist, sondern eine Erfahrung, die man(n) sich nicht entgehen lassen sollte. Und dabei geht es weniger um den Kreißsaal, als vielmehr um den Vorgang der Geburt an sich. Vor ein paar Jahrzehnten wären viele befremdet gewesen, wenn ein Mann hätte dabei sein wollen. Heute wird man(n) eher schräg angeschaut, wenn man(n) kategorisch ausschließt, präsent zu sein. Oder auch nur Zweifel und Unsicherheit äußert.

Ich muss gestehen, ich sympathisiere mit diesem schrägen Blick. Trotz der Horrorgeschichten im Freundeskreis und im Internet über Blut, Fäkalien und die angebliche Unfähigkeit, jemals wieder seine Partnerin sexuell begehren zu können, empfand ich den Vorgang überhaupt nicht als verstörend. Ich bin auch sehr schnell bei der Frage, was zur Hölle eigentlich los ist mit diesen Männern, die zwar gerne bei der Zeugung zugegen gewesen sind, sich aber die Entbindung lieber ersparen wollen. Oder was eigentlich mit der Gesellschaft nicht stimmt, wenn sie männliche Anwesenheit als heroischen Akt der Fürsorge und der Selbstüberwindung feiert. Die US-amerikanische Komikerin Ali Wong hat in einem gefeierten Comedy-Special mal darauf hingewiesen, dass bei allen Voruntersuchungen, an denen ihr Mann teilnimmt und später dafür schulterbeklopft wird, ja noch eine Person anwesend ist: nämlich sie.

Netflix

Das gilt umso mehr für die Geburt. Frauen haben überhaupt nicht die Option auf ein "Och nö, lass mal, das ist mir zu krass". Und da soll die schiere Anwesenheit von Männern schon zu viel verlangt sein? Angesichts dessen, was Frauen für die Geburt eines Kindes leisten, sollten Männer bereit sein, des Vorgangs ansichtig zu werden und zu unterstützen – sofern die Partnerin das möchte. Allerdings gibt es da ein persönliches und ein strukturelles Aber. Denn zum einen waren die großartigen, unvergesslichen Geburten meiner Kinder alles andere als einfach für mich. Nie habe ich mich ohnmächtiger, hilfloser und mitleidender gefühlt als unter den Wehen meiner Lebenskomplizin.

Im Kreißsaal habe ich sogar einmal die "Ich bin dann mal weg"-Karte gezogen. Als ihr nach schier endlosen Stunden auch noch eine Periduralanästhesie verpasst werden sollte, war ich nicht sicher, ob ich in Tränen ausbreche oder den Anästhesisten niederschlage. Oder beides. Die Stellung gehalten hat hingegen ihre beinharte, no-nonsense Kindergartenfreundin.

Ja und ja

Und zum anderen wäre es doch ausgesprochen seltsam, um nicht zu sagen verdächtig, Männer in diesem Bedarfsfall wieder einmal dazu aufzufordern, ihre Gefühle abzustellen. Diese toxische Automatenwelt, in der Männlichkeit nicht zuletzt auch dadurch definiert wird, dass Männer einen Schalter umzulegen und zu funktionieren haben, wollten wir doch hinter uns lassen. Und hier sollen Emotionen wie Ekel, Angst und Aggression plötzlich fehl am Platz sein?

Also Ja zu beidem: Ja zum Kopfschütteln über Männer, die so sehr das Privileg der Nichtteilnahme verinnerlicht haben, dass ihnen nicht auffällt, um wen es hier eigentlich geht und wer dieses Privileg nicht hat. Und Ja zu einem Austausch auf Augenhöhe darüber, welche Schritte in dieser Extremsituation für beide möglich und nötig sind. Inklusive der Option, dass seine Anwesenheit für einen oder beide belastender ist als seine Abwesenheit. (Nils Pickert, 10.12.2018)