Kramp-Karrenbauer steht viel Arbeit bevor.

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Merkel freut sich.

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Der Wunsch nach Bewahrung war letztendlich stärker als die Lust auf ein Wagnis. Die CDU wollte Merkel ein bisschen behalten, aber sie als Person auch loswerden. Darum wurde die verbindlichere Annegret Kramp-Karrenbauer am Freitag zur neuen CDU-Chefin und Nachfolgerin von Angela Merkel gewählt und nicht der polarisierende Friedrich Merz. 517 Stimmen erhielt sie, 482 ihr Konkurrent. Es war eine knappe Entscheidung, bis zum Schluss wagte keiner eine seriöse Prognose.

Nun ist es geschafft, 18 Jahre Merkel an der CDU-Spitze sind vorbei, die Generalsekretärin übernimmt. Leicht wird es für sie nicht, denn die CDU, die sie nun führen muss, steht tief gespalten vor ihr. Merkels Rückzug hat etwas ermöglicht, was die CDU gar nicht mehr kannte: Es gab plötzlich Diskussion und Auswahl, es gab innerparteiliche Demokratie. Das war gut, wichtig, und es wird in diesem Stil weitergehen müssen. Die Tage der CDU als Kanzlerwahlverein sind vorbei.

Ähnliche Probleme wie SPD

Doch dieser Prozess zeigte auch, dass die CDU ein ähnliches Problem hat wie die SPD. Seit Jahren bekämpfen sich bei den Sozialdemokraten zwei Flügel: jener, der Schröders Sozialreformen rückabwickeln will, und jener, der daran festhalten möchte. Die CDU hat deshalb immer ein wenig mitleidig auf "die Sozen" geschaut – gab es in der CDU doch bloß die Merkel'sche Mehrheitsmeinung und ein wenig Groll im Untergrund, der sich in den vergangenen Jahren aber stetig gesteigert hat.

Doch nun, da Merkel weg ist, liegt der Blick frei auf den tiefen Graben: Auf der einen Seite sieht man das "Team AKK", das für einen Kurs der politischen Mitte steht, auf der anderen die "Merzianer", die sich nichts sehnlicher wünschen als kantig-konservative Politik. Denn Merz hat viel mehr als einen Achtungserfolg erzielt. Er war zehn Jahre lang nicht in der Politik aktiv, er gilt eigentlich als Mann von gestern, jeder wusste, dass er eine Rechnung mit Merkel offen hatte – und dennoch hat er Sehnsüchte ausgelöst wie zuletzt Martin Schulz in seiner Anfangsphase als SPD-Kanzlerkandidat.

Erleichterung bei Merkel

Das sagt viel über den Zustand und die Wünsche einer Partei aus. "AKK" muss die Partei nun einen und auch jene natürlich vertreten, die lieber Merz an der Spitze gesehen hätten. Aufatmen kann Merkel selbst. Mit ihrer Vertrauten an der Parteispitze wackelt ihr Sessel im Kanzleramt wesentlich weniger stark als unter einem Parteichef Merz. Auch in der Koalition sind fürs Erste keine größeren Umbrüche zu erwarten. Merz in der Chefetage des Konrad-Adenauer-Hauses hätte die politische Statik in der schwarz-roten Regierung sehr viel stärker durcheinandergebracht.

Doch zu glauben, dass mit der Wahl Kramp-Karrenbauers alles beim Alten bleibt (nur eben ohne Merkel), wäre ein Fehler. Ihr nächstes Ziel ist das Kanzleramt. Um dorthin zu kommen, muss sie eigenes Profil und eigene Initiativen entwickeln. Das wird auf längere Sicht nicht ohne Distanz zu Merkel oder gar Abkehr von selbiger funktionieren. Es könnte ein schmerzlicher Prozess werden, doch Kramp-Karrenbauer ist genauso bereit zuzugreifen wie es einst Merkel war. (Birgit Baumann aus Hamburg, 7.12.2018)