Am Rande des Kongresses der Europäischen Sozialdemokraten übte die SPÖ-Delegation scharfe Kritik am österreichischen EU-Vorsitz.

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ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer sieht das naturgemäß ganz anders. Man habe es geschafft, "90 Prozent des migrationspolitischen Rucksacks der SPÖ-Kanzler" abzubauen.

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Lissabon – Die SPÖ zieht eine enttäuschte Bilanz der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft, die mit dem Jahreswechsel zu Ende geht. "Ich suche noch die großen Meilensteine", erklärte Parteichefin Pamela Rendi-Wagner am Samstag am Rande des Kongresses der Europäischen Sozialdemokraten (SPE) in Lissabon. Manifest werde das "Scheitern" besonders bei "Frontex".

Frontex als Beispiel

Großen Ankündigungen seien keine konkreten Ergebnisse gefolgt, meinte Rendi-Wagner bei einem gemeinsamen Pressegespräch mit dem EU-Spitzenkandidaten Andreas Schieder, der Leiterin der EU-Parlamentsdelegation, Evelyn Regner, und SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda. Dabei wurde das drohende Scheitern der Aufstockung der EU-Grenzschutzagentur Frontex als besonders exemplarisches Beispiel genannt.

Die ÖVP-FPÖ-Regierung habe unter dem Motto "Ein Europa, das schützt" den Schutz der EU-Außengrenzen als ein Hauptziel für den EU-Ratsvorsitz definiert, erinnerte Drozda. Nun aber habe Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) verkündet, dass die Vorgabe der EU-Kommission, 10.000 EU-Grenzschützer bis 2020 aufzubauen, nicht machbar sei. Am Donnerstag hatte Kickl die Hoffnung geäußert, dass die EU vielleicht 5.000 Grenzschützer bis 2025 schaffen könnte. Der österreichische Kompromissvorschlag sieht nun 10.000 Grenzschützer bis 2027 vor.

"Sebastian, was hast du gemacht?"

Die Aufstockung von Frontex sei aber eine "ganz entschiedene Festlegung bei der Migrationsthematik gewesen", kritisierte Drozda die Performance der ÖVP-FPÖ-Regierung im Rahmen des EU-Vorsitzes. Nun würde die österreichische Ratspräsidentschaft "das Feld räumen". Wenn die Frontex-Lösung um sieben Jahre verschoben werde, dann sei das "Scheitern der Präsidentschaft an diesem Punkt festzumachen", sagte der SPÖ-Geschäftsführer. "Migration ist ein umstrittenes Thema, aber Frontex ist Common Sense."

Wie schon bei manchen innenpolitischen Vorhaben, die verschoben worden seien, müsse sich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) daher auch als Ratspräsident eine Frage stellen lassen, sagte Drozda: "Sebastian, was hast du gemacht?"

Konter der ÖVP

ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer hat am Samstag die Kritik der SPÖ zurückgewiesen. "Die Kritik der SPÖ am EU-Vorsitz entspricht nicht den Tatsachen. Österreichs Linie im Außengrenzschutz ist mittlerweile EU-Linie und im vergangenen halben Jahr hat die Regierung unzählige Reformen vorangebracht und sich erneut als Brückenbauer in Europa bewiesen", so Nehammer in einer Aussendung.

Rendi-Wagner warf der türkis-blauen Regierung ebenfalls vor, den Ratsvorsitz nicht dazu genützt zu haben, auf europäischer Ebene etwa gemeinsame Asylverfahren oder Rückführungsabkommen durchzusetzen. Auch wichtige Vorhaben wie die Finanztransaktionssteuer, die nach der Finanzkrise ab 2008 mehr als gerecht gewesen wäre, seien nicht weiter verfolgt worden.

Nehammer kontert: "Fakt ist, dass die Regierung vor allem daran arbeiten hat müssen, die Willkommenskultur der SPÖ aus dem Jahr 2015 zu reparieren. Trotz der roten Fehlpolitik hat es die Regierung im ersten Jahr aber geschafft, 90 Prozent des migrationspolitischen Rucksacks der SPÖ-Kanzler abzubauen und die Asylanträge deutlich zu verringern."

Abgesagter Sozialministerrat

Die SPÖ hat aber noch weitere Kritikpunkte angesprochen: Die Politik von EU-Kommission und -Parlament sei derzeit von konservativen und liberalen Kräften geprägt, der österreichische Vorsitz habe da keinen Unterschied gemacht, erklärten die SPÖ-Politiker. Bezeichnend sei, dass während der Präsidentschaft ausgerechnet ein EU-Sozialministerrat abgesagt worden sei.

Schieder erinnerte zudem an den Besuch von Russlands Präsidenten Wladimir Putin im Sommer bei der Hochzeit von Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ): "Begonnen hat alles mit einem Riesenknickser, der uns einholt." Der jüngst neu aufgeflammte Konflikt zwischen Russland und der Ukraine sei nämlich ein "klassischer Fall", wo eine EU-Präsidentschaft als Vermittlerin auftreten könnte. Da aber die Außenministerin vor Putin "in die Knie" gegangen sei, sei diese Chance verspielt worden, meinte Schieder.

Nicht viel von Überschriften übrig

Regner monierte ebenfalls, dass von der Ratspräsidentschaft von "tollen Überschriften" nicht viel übrig geblieben sei. Das werde im EU-Parlament von Abgeordneten "aller Fraktionen" und in der Kommission "als peinlich" wahrgenommen. Auch weil wichtige Sozialthemen wie das Arbeitsrecht von der österreichischen Präsidentschaft unter Kanzler Kurz "nicht transportiert" worden seien. Viele in der EU hätten den Eindruck, "es geht nichts weiter", so Regner. (APA, red, 8.12.2018)