Mit einer Todesanzeige einer verstorbenen Asylsuchenden übt ein Betreuerinnenteam der Caritas stillen Protest gegen die heimische Abschiebepraxis.

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Graz – Sie wäre nicht weiter aufgefallen. Doch jemand hatte die Todesanzeige in der Samstagsausgabe der Grazer "Kleinen Zeitung" genauer gelesen – und sie ins Netz gestellt. Seitdem wurde die Parte tausende Male geteilt und kommentiert.

"Frau Ajset S. (1962–2018)", so steht es in der schwarz umrandeten Anzeige, "kam 2016 mit großer Hoffnung nach Österreich, wo wir sie auf ihrem schwierigen Weg mit ihrer Krankheit einige Zeit hindurch begleiten durften. Wir fühlten uns ihr sehr verbunden und hielten den Kontakt auch nach ihrer Abschiebung aufrecht. Wir sind erschüttert zu erfahren, dass sie nun ohne ausreichende Behandlung und Versorgung in ihrer Heimat an ihrer schweren Krankheit gestorben ist. In herzlicher Erinnerung schließen wir sie in unsere Gedanken und Gebete ein. Das Team und die Bewohnerinnen des Franzisca-Frauenwohnhauses."

Diagnose Krebs

Die Grazer Betreuerinnengruppe der "Franzisca-Notschlafstelle und Wohngemeinschaft für Frauen mit Kindern" hatte S., nachdem sie aus Tschetschenien über Spanien nach Österreich geflohen war, ein Jahr lang umsorgt. Ihr Mann wurde in Tschetschenien umgebracht, ein Großteil ihrer Familie – zwei Schwestern – lebte bereits in Österreich.

S., so wurde am Grazer Klinikum diagnostiziert, hatte Krebs in einem fortgeschrittenen Stadium, sie erhielt in der Folge an der Universitätsklinik entsprechende Behandlungen und Therapien. Die nahen Verwandten begleiteten sie immer wieder zu den Spitalsterminen.

Wenige Tage nach dem zweiten negativen Asylbescheid vom November 2017 wurde S. von der Polizei, noch während die Krebsbehandlung lief, aus dem Frauenwohnhaus abgeholt und in das Polizeianhaltezentrum Roßauer Lände in Wien gebracht – und anschließend abgeschoben. Ein Dublin-Fall eben, hieß es offiziell, weil sie über Spanien eingereist war.

"Ich schäme mich"

Der steirische Caritas-Direktor Herbert Beiglböck appellierte noch an die Regierung, aufgrund ihrer ernsten Erkrankung doch Milde walten zu lassen. "Auch wenn ich die rechtliche Position verstehe, schäme ich mich für mein Heimatland, dass wir für diese schwerkranke Frau keine menschliche Lösung finden wollten", schrieb Herbert Beiglböck damals.

Das Betreuungsteam der Caritas blieb all die Monate in loser Verbindung mit der Frau. "Dieser Tage bekamen wir jetzt die Nachricht, dass sie an ihrer schweren Krankheit gestorben ist. Sie hatte keine ausreichende Behandlung mehr", sagt Caritas-Sprecherin Irmgard Rieger. Diese Parte zu veröffentlichen sei "ein Weg gewesen, uns von ihr zu verabschieden". (Walter Müller, 10.12.2018)