Im europäischen Schnitt bearbeitet ein Staatsanwalt im Jahr 578 Fälle, in Österreich sind es 1.624. Auch den schlechten Zugang der Bürger zu Justiz und Verwaltung kritisiert die Anwaltskammer.

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Wien – Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) forderte anlässlich der Präsentation des diesjährigen Wahrnehmungsberichtes einen besseren Zugang zu Justiz- und Verwaltungsbehörden. Daneben beklagte die Kammer die Qualität der heimischen Gesetzgebung und Missstände im Asyl- und Fremdenwesen.

"Die Gerichtsgebühren in Österreich gehen durch die Decke", so ÖRAK-Präsident Rupert Wolff, und sie haben europaweit einen Rekordwert erreicht. Der Mehrerlös komme aber nicht der Justiz zugute, stellte Wolff fest, sondern "völlig anderen Haushaltsposten".

Staatsanwaltschaften werden personell ausgehungert. Während im europäischen Durchschnitt auf 100.000 Einwohner 11,7 Staatsanwälte kommen, sind es in Österreich 4,1. Ein österreichischer Ankläger hat im Schnitt 1.624 Fälle pro Jahr zu bearbeiten, europaweit sind es 578. Die Anwälte fordern eine Gebührenbremse und eine bessere Ausstattung der Justiz. Erbost zeigte sich Wolff, dass bei Verwaltungsbehörden und -gerichten das elektronische Einbringen von Rechtsmitteln auf Amtsstunden beschränkt ist: "Das ist völlig absurd und antiquiert."

E-Mail nur zu den Amtsstunden

Wer einer Behörde eine E-Mail schickt, müsse die Amtsstunden kennen, um sich nicht in die Gefahr einer Fristversäumnis zu begeben.

Wolff veranschaulichte das mit dem Beispiel Lienz, wo die Amtsstunden dienstags bis freitags zwischen 7.30 und 12 Uhr sind. Eine Mail, die am Dienstag um 12.05 Uhr einlangt, gilt erst am Mittwoch als zugestellt.

Was den Gesetzwerdungsprozess betrifft, seien die Bedingungen "keineswegs gut", hielt Wolff fest. Der ÖRAK hat 150 Verordnungs- und Gesetzesentwürfe begutachtet. Die vom Bundeskanzleramt empfohlene sechswöchige Begutachtungsfrist wurde in 76 Prozent der Fälle nicht eingehalten. Teilweise wurden selbst Verfassungsänderungen ohne Begutachtung dem Parlament vorgelegt. Mitunter wurden Gesetze gar erst nach Inkrafttreten kundgemacht. "Es ist extrem gefährlich, wenn Bürger zur Gesetzesanwendung verpflichtet sind, das entsprechende Gesetz aber überhaupt noch nicht veröffentlicht wurde", gab Wolff zu bedenken.

Aktuell stößt dem ÖRAK vor allem eine Änderung des Grenzkontrollgesetzes auf, die am 28. November ohne vorherige Begutachtung vom Innenausschuss beschlossen wurde und die demnächst verabschiedet werden soll. Sie sieht vor, dass zukünftig Verwaltungsbeamte der Landespolizeidirektionen als "Hilfssheriffs" für Grenzkontrollen eingesetzt werden können, um der Polizei "andere polizeiliche Tätigkeiten" zu ermöglichen.

Asyl- und Fremdenrecht

Problematische Entwicklungen sehe man auch im Asyl- und Fremdenwesen. Dass die Rechtsberatung für Asylwerber von NGOs an eine Bundesagentur übertragen werden soll, "widerstrebt einem fairen Asylverfahren", so ÖRAK-Vizepräsident Bernhard Fink. Unabhängige Rechtsberatung sei von elementarer Bedeutung.

Scharf kritisierte Fink auch, dass mit erstinstanzlich negativen Bescheiden konfrontierte Asylwerber immer öfter nicht mehr zur mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geladen werden: "Wir appellieren an alle Richter, eine solche Verhandlung durchzuführen." Bedenklich seien auch gegenwärtige Tendenzen, rechtskräftig zuerkannten Schutzstatus abzuändern, ohne dass sich der verfahrensmaßgebliche Sachverhalt wesentlich geändert hätte.

Fink forderte auch die räumliche Trennung der Staatsanwaltschaften von den Strafgerichten aus. Ein weiterer Punkt war für ihn die Forderung der Neuausschreibung für das Präsidentenamt am burgenländischen Landesverwaltungsgericht. Das Bewerbungsverfahren sei auf die Büroleiterin von Landeschef Hans Niessl (SPÖ) "zugeschnitten", meinte Fink: "Ich sehe da eine Freunderlwirtschaft." (APA, red, 10.12.2018)