Die Hälfte des Internethandels läuft über Amazon.

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Amazon gerät aufgrund der wachsenden Marktmacht in Europa zusehends ins Visier der Regulierungsbehörden. In Österreich prüft wie berichtet die Bundeswettbewerbsbehörde eine Beschwerde des Handelsverbands gegen den Onlineriesen. Auch in Deutschland steht er unter der Beobachtung des Kartellamts. Doch wie unredlich agiert der Konzern tatsächlich? Und wie gut sind die Waffen des Kartellrechts dafür geeignet, seiner habhaft zu werden?

Neben Österreich läuft auch in Deutschland rund die Hälfte des gesamten Internethandels über Amazon. Der Marktplatz des digitalen Multis wächst fast doppelt so rasch wie Plattformen der Rivalen. Die Regulierungsbehörde tue also gut daran, darauf zu achten, ob das Unternehmen die Regeln einhalte und die Geschäftsbedingungen passen, sagt Kai Hudetz, Chef des Instituts für Handelsforschung in Köln, dem STANDARD.

Hudetz wundert es aber, warum es erst jetzt passiert. Ob es gelingt, Amazon zu bremsen, stellt er in Zweifel. Es sei eine komplexe Materie und kein Leichtes, den etwaigen Missbrauch von Marktmacht nachzuweisen. "Ich bin mir nicht sicher, ob das gelingen wird."

In der Kritik steht der Datenaustausch Amazons zwischen seinem Onlinehandel und seinem Marktplatz für Webshops anderer Händler. Dem Marktführer werden zudem unfaire Geschäftsbedingungen für seine Handelspartner angelastet. Amazon selbst kommentiert beide Vorwürfe nicht.

Amazon sei datengetrieben und in der Rolle des Gatekeepers, sagt Hudetz. Er erinnert jedoch an die zwei Seiten der Medaille: Was Amazon angekreidet werde, gehe nicht zulasten der Konsumenten. Ein Beispiel dafür sei der Umtausch von Produkten. Die Kunden erlebten ihn als äußerst kulant – doch die Rechnung für die Retouren zahlten die Lieferanten.

Anhaltende Strahlkraft

Hudetz glaubt nicht, dass Amazons Sogkraft nachlässt. Auch die vermeintlichen Skandale rund um Arbeitsbedingungen der Lagerarbeiter des Konzerns hätten seiner Strahlkraft nicht wirklich geschadet. "Streiks prallten ab".

Auch Michael Böheim, Wettbewerbsexperte des Wifo, hält es für äußerst schwierig, Amazons Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung zu beweisen. Es gehe um Vertragsfreiheit. Sie einzuschränken bedeute in der letzten Konsequenz, sie zu regulieren. "Und das ist ein gewaltiger Schritt."

Böheim sieht den Hebel für fairen Wettbewerb eher auf steuerlicher Ebene. Solange Amazon nur den Bruchteil der Steuerlast anderer Unternehmen trage, bleibe das Umfeld ein schiefes.

Er rät kleinen Händlern davon ab, ihre Geschäftsmodelle nur auf der Vermarktung über Amazon aufzubauen. "Hänge ich mir eine Schlange um den Hals, kann es passieren, dass sie mich beißt." Mit anderen Worten: Wer sich in ein trojanisches Pferd setze, der dürfe sich nicht wundern, wenn sein eigenes Geschäft ausgehöhlt werde. Dass dies leichter gesagt als getan ist, ist Böheim bewusst. Amazons Marketplace könne gut ohne den einen oder anderen Händler leben. Umgekehrt sehe es vielfach wohl anders aus.

Geiler Geiz

Sascha Berens vom deutschen Handelsinstitut EHI führt Amazons wachsende Kundenbindung und den hohe Service ins Treffen. Auch für Händler sei der Onlineriese ein Maßstab für Logistik und Liefergeschwindigkeit. Dass ihm nicht alle wohlgesonnen seien, sei klar. Doch noch immer gelte das Prinzip des geilen Geizes. "Kunden nutzen das, was ihnen geboten wird, und sie fühlen sich bei Amazon gut aufgehoben."

Für Helmut Gahleitner, Experte der Arbeiterkammer, lassen sich die vielen Vorteile des Onlinehandels nicht wegdiskutieren. Marktmacht sei aber Datenmacht, und Daten seien die Rohstoffe der digitalen Welt. Langfristig litten unter unerlaubter Konzentration also auch Konsumenten, denn Vielfalt und damit die Chance, Preise zu vergleichen, gingen verloren.

Die Frage sei, welche Daten die Handelspartner Amazon zur Verfügung stellen müssen, um auf seinem Marktplatz vertreten zu sein – und wie Amazon die Daten verwenden dürfe. Händler seien aufgefordert, mit den Behörden zusammenzuarbeiten, sagt Gahleitner. "Ohne Beweise geht es nicht. Die Fakten müssen auf den Tisch." (Verena Kainrath, 11.12.2018)