Lebermoose zählen zu den ältesten Landpflanzen der Erde. Nun konnten Wiener Forscher zeigen, dass eine kleine molekulare Veränderung hat vor 700 Millionen Jahren eine Pflanzenzelle erstmals zu einem Spermium werden ließ.

Foto: Katja Schulz

Wien – Die ältesten bekannten Spermien des Tierreiches waren 2015 in 50 Millionen Jahre alten Meeresablagerungen auf der abgelegenen Seymour-Insel an der Nordspitze der Antarktischen Halbinsel entdeckt worden. Die mikroskopisch kleinen Überreste stammen von einer Gürtelwurmart, einem nahen Verwandten des modernen Regenwurms.

Die sexuelle Fortpflanzung mittels Spermazellen ist freilich bedeutend älter – wie alt, das konnten Wiener Wissenschafter nun erstmals nachweisen: Die Forscher entdeckten eine einzelne molekulare Veränderung, die vor 700 Millionen Jahren eine Pflanzenzelle erstmals zu einem Spermium mutieren ließ. Die Veränderung in einem gemeinsamen Ahnen aller Landpflanzen erlaubte es damals dem Protein DU01 jene Gene zu regulieren, die bis heute zusammenarbeiten, um die Spermienentwicklung zu steuern.

Eiweiß im urtümlichen Lebermoos

Vom beliebtesten Modellorganismus der Pflanzenforscher, der Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana), war bereits bekannt, dass der Transkriptionsfaktor DU01 die Spermienbildung reguliert, erklären Tomokazu Kawashima und Frederic Berger vom Gregor Mendel Institut (GMI) für Molekulare Pflanzenbiologie der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien. Sie haben DU01-Eiweißstoffe aber auch in einem Lebermoos gefunden. Diese Pflanzengruppe zählt vermutlich zu den allerersten Land-Gewächsen. Ohne DU01 konnte das Moos keine Spermien mehr bilden. "Das beweist, dass seit der Entstehung der Landpflanzen DU01 die Differenzierung der Spermien kontrolliert", so Kawashima.

Sehr urtümliche Algen, die noch keine Spermien hervorbringen, haben auch kein DU01, berichten die Forscher im Fachjournal "Nature Communications", Armleuchteralgen mit beweglichen Spermien hingegen schon. Sie gingen vor 700 Millionen Jahren aus einem alten, gemeinsamen Vorfahren aller Landpflanzen hervor. DU01 müsse also in dieser Zeit entstanden sein, schließen die Wissenschafter.

Weiterentwickelte Steuerung

Damals habe wohl eine kleine, molekulare Veränderung bei DU01 bewirkt, dass es neue Erbgut-Sequenzen binden und damit mehr Gene als zuvor regulieren konnte. Dies würden biochemische Vergleiche mit ähnlichen Eiweißstoffen nahelegen. "Jene Gene bilden ein Netzwerk zur Steuerung der Spermienentwicklung", erläutern die Forscher. DU01 kontrolliert noch heute dieses Netzwerk, doch es hat sich in den verschiedenen Pflanzen weiterentwickelt. Dadurch entstand wahrscheinlich die große Vielfalt der Spermienformen in den heutigen Landpflanzen. (red, APA, 16.12.2018)