Großaufgebot der Polizei in Straßburg.

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Auf der Rheinbrücke sind schwerbewaffnete Spezialkräfte postiert.

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Straßburg – Nach der tödlichen Attacke auf den Straßburger Weihnachtsmarkt sucht die Polizei in Frankreich und dem nahen Deutschland fieberhaft nach dem flüchtigen Attentäter. Zudem hat die französische Regierung die höchste Terrorwarnstufe für das Land ausgerufen. Im Zuge des Anti-Terror-Plans Vigipirate wurde die Warnstufe auf das höchste Niveau "urgence attentat" (etwa: "Notfall – Anschlag") angehoben.

Auf allen französischen Weihnachtsmärkten würden die Sicherheitskontrollen verschärft, um Nachahmungstaten zu verhindern, sagte Castaner. Auch die Grenzkontrollen sollen verstärkt werden. Außerdem würden die Soldatenpatrouillen in Frankreich ausgeweitet. An der Suche sind laut Medienberichten derzeit 350 Sicherheitskräfte beteiligt. Unterstützt wurden diese unter anderem von zwei Hubschraubern.

Bei der Attacke wurden Castaners Worten zufolge drei Menschen getötet. Nach Angaben der Präfektur des Departments Bas-Rhin wurde die Zahl der Verletzten Mittwoch früh auf 13 angehoben. Davon seien acht schwer und fünf leichter verletzt. Bei der Flucht hätte sich der Angreifer zwei Mal Schusswechsel mit Sicherheitskräften geliefert, sagte Castaner.

Angreifer war Behörden bekannt

Der mutmaßliche Angreifer ist ein französischer Staatsbürger aus Straßburg mit nordafrikanischen Wurzeln. Der 29-Jährige Cherif C. wurde nach Kenntnis der deutschen Justiz bereits wegen etlicher Diebstähle in Frankreich, der Schweiz und in Deutschland verurteilt.

Nach dem Verbüßen der Haftstrafe in Deutschland wurde er im Jahr 2017 von dort nach Frankreich abgeschoben. Der Mann sei der französischen Justiz bekannt gewesen, sagte Innenminister Castaner. Berichten zufolge hätte er am Dienstag in der Früh wegen eines versuchten Tötungsdelikts verhaftet werden sollen, wurde aber an seinem Wohnort nicht angetroffen. Dort wurden Granaten gefunden.

Die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass der mutmaßliche Attentäter von Straßburg zusammen mit seinem 34 Jahre alten Bruder Sami C. auf der Flucht ist. Beide gelten als islamistisch radikalisiert.

Zeugen des Anschlags haben den Angreifer "Allahu Akbar" ("Gott ist groß") rufen hören. Angesichts des Zielorts, seiner Vorgehensweise und der Zeugenaussagen habe die Antiterrorabteilung der Pariser Staatsanwaltschaft die Ermittlungen übernommen, sagte der Pariser Anti-Terror-Staatsanwalt Remi Heitz am Mittwoch in Straßburg.

Motiv nach wie vor unklar

Obwohl Antiterrorspezialisten die Ermittlungen übernommen haben, will sich das französische Innenministerium nicht auf ein terroristisches Motiv des Täters festlegen, er sei bisher nicht im Zusammenhang mit Terrorismus polizeibekannt gewesen. Im Gefängnis sei zwar eine Radikalisierung festgestellt worden, "allerdings nur in der religiösen Praxis", sagte der Staatssekretär im Innenministerium, Laurent Nunez, Mittwoch früh dem Sender RTL.

ORF-Korrespondent Peter Fritz berichtet per Telefon aus Straßburg, wie er Zeuge der Schießerei im Zentrum der Stadt wurde und sich die Ereignisse überschlugen.
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Grenzübergänge werden kontrolliert

Auf die Frage, ob der Mann ins benachbarte Deutschland geflüchtet sein könnte, antwortete der Bürgermeister der elsässischen Metropole, Roland Ries, am Mittwoch im Radiosender Europe 1: "Die Grenze ist im Prinzip geschlossen." Es sei aber alles möglich, falls der Tatverdächtige ein Auto habe.

Auch seitens der französische Regierung wird nicht ausgeschlossen, dass der Straßburger Attentäter nach Deutschland geflüchtet sein könnte. "Aber was ich sagen möchte, ist, dass natürlich sofort die Grenzschließung sichergestellt wurde", sagte diesbezüglich Staatssekretär Nunez im RTL-Gespräch.

Keine Österreicher betroffen

Unter den Opfern des Angriffs sind nach bisherigen Erkenntnissen keine Österreicher. Das teilte das Außenministerium der APA mit. Das Außenamt aktualisierte die Reisehinweise auf seiner Homepage aus dem aktuellen Anlass: "Bewaffneter Zwischenfall in Straßburg. Meiden Sie das Zentrum und folgen Sie den Anweisungen der Sicherheitskräfte", hieß es dort.

Solidarität von Macron

Derweil sicherte Staatschef Emmanuel Macron den Opfern des Angriffs die Solidarität Frankreichs zu. "Solidarität der gesamten Nation mit Straßburg, unseren Opfern und ihren Familien", schrieb Macron im Kurzbotschaftendienst Twitter.

Der tödliche Anschlag hat auch die Abgeordneten des EU-Parlaments in eine Ausnahmesituation gebracht. Über Stunden hinweg saßen die Volksvertreter im Straßburger Parlamentsgebäude fest. Am frühen Mittwochmorgen teilte Parlamentspräsident Antonio Tajani seinen im Plenarsaal versammelten Kollegen dann mit, sie dürften das Parlamentsgebäude abseits des Stadtzentrums verlassen – allerdings nur auf eigenes Risiko und in einem von der Polizei gesicherten Konvoi.

Beileid aus Österreich

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Mittwoch den Familien und Freunden der Opfer der Schießerei in Straßburg sein "tiefes Beileid" ausgedrückt. In einer Twitterbotschaft erklärte er seine Solidarität mit den Menschen in Frankreich und sprach sich "für ein vereintes Europa mit den tief verwurzelten Werten der Gleichheit, Offenheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschlichkeit" aus.

Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erklärte, er sei mit den Gedanken bei den Opfern der "feigen Schießerei". Er verurteilte den Anschlag in der Nacht auf Mittwoch auf Twitter scharf und erklärte: "Wir werden uns nicht einschüchtern lassen und unsere europäischen Werte sowie unsere europäische Lebensweise immer verteidigen."

Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) zeigte sich "schockiert über die Bilder aus Straßburg". Straßburg sei "als Sitz des Europarats und des Europäischen Parlaments mit all seiner Geschichte eine zutiefst europäische Stadt, die uns allen am Herzen liegt", so Kneissl auf Twitter.

(red, APA, 12.12.2018)