Halla hat eine Mission. Sie ist nicht nur eine beliebte Chorleiterin, sondern auch Umweltaktivistin. Mit Pfeil und Bogen legt sie inmitten der Weiten Islands die Stromversorgung eines Aluminiumwerks lahm. Welches Echo die Aktionen der als "Bergfrau" titulierten Einzelkämpferin in den Medien finden, für welchen Spin Politiker sorgen, erlebt sie im Vorbeigehen: An offenen Fenstern hört sie, wie im Fernsehen von einer Terroristin die Rede ist, die wirtschaftlichen Gewinn verheißende Verhandlungen mit den Chinesen und damit nichts weniger als den Wohlstand gefährdet.

Nimmt es in "Gegen den Strom" mit der Aluminiumindustrie Islands auf: Halldóra Geirharðsdóttir.
Foto: Polyfilm

Der Film Gegen den Strom des isländischen Regisseurs Benedikt Erlingsson macht keinerlei Hehl aus der Sympathie für seine Hauptfigur. Aber er spannt sie in ein vielfältiges Beziehungsgeflecht ein, stellt sie auf die Probe. Völlig unerwartet erfährt die allein lebende Frau um die 50, dass ihrem halb vergessenen Ansuchen um eine Adoption stattgegeben wurde, ein kleines Mädchen in der Ukraine auf Abholung wartet. Neigungen und Pflicht vermischen sich zunehmend.

Äußere und innere Welt

Die famose Hauptdarstellerin Halldóra Geirharðsdóttir bringt uns die Zerrissenheit von Halla ebenso nahe wie die auch von ihr verkörperte Zwillingsschwester Ása. Während die umtriebige Chorleiterin beharrlich der Rettung der äußeren Welt nachgeht, sucht die Yoga-Lehrerin, die ebenfalls nach Jahren des Wartens kurz vor der Aufnahme in einen indischen Ashram steht, das Heil im Inneren. Erst im Zusammenspiel der beiden Positionen deuten sich Lösungen an.

Erzählt wird das recht flott, mit einem gerüttelt Maß an Suspense und Humor. Halla zur Seite gestellt sind sympathisch skurrile Typen wie ein Schafzüchter, der sich als Fluchthelfer erweist, oder ein Regierungsbeamter am Rande des Nervenzusammenbruchs, der ebenfalls mit der Umweltschützerin unter einer Decke steckt.

Trailer zu "Gegen den Strom".
KinoCheck

Wie bereits in Erlingssons erstem Film Von Menschen und Pferden kommt der Natur Islands eine zentrale Rolle zu. Kameramann Bergsteinn Björgúlfsson setzt die pittoreske Landschaft als Refugium und schützenswertes Gut in Szene, ohne sie esoterisch zu überhöhen. Eine besondere Funktion übernimmt auch die Filmmusik von Davíð Þór Jónsson, dargeboten von drei Musikanten, die mit Sousafon, Akkordeon und Schlagzeug immer wieder im Bild zu sehen sind. Mit sparsamen Motiven kommentieren sie die Figuren, denen sie zugleich Verbündete sind. Mitunter durchbricht das Trio die vierte Wand, spielt die Zuseher direkt an. Drei ukrainische Sängerinnen fungieren als Chor.

Warmherziges Lehrstück

Entlang dieser Koordinaten inszeniert Regisseur Benedikt Erlingsson seinen Film als warmherziges Lehrstück, das im besten Sinn populär, aber nie populistisch wirkt. Ein Feel-good-Movie, wie es sein soll. (Karl Gedlicka, 14.12.2018)