Großbritanniens Premierministerin Theresa May erwartete vom EU-Gipfel diese Woche keinen "unmittelbaren Durchbruch".

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Die britische Premierministerin Theresa May hat sich beim EU-Gipfel diese Woche keinen "unmittelbaren Durchbruch" im Streit mit den EU-27 erwartet – und in der Nacht auf Freitag nichts völlig Handfestes bekommen. Was den vereinbarten Brexit-Deal und die Regelung der Grenzkontrollen in Irland nach dem geplanten EU-Austritt am 29. März 2019 betrifft, sind die Partner May aber in einer Erklärung entgegengekommen. Sie betonten, dass eine Übergangslösung mit Irland nach dem Brexit auch aus Sicht der EU kein unbefristetes Dauerprovisorium bleiben dürfe. Sollte der sogenannte Backstop gebraucht werden, "würde er nur befristet angewandt, bis er durch eine Folgelösung ersetzt würde, die sicherstellt, dass eine harte Grenze vermieden wird", heißt es in dem Beschluss.

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Schon zuvor hatte es geheißen, es gehe darum, so rasch wie möglich mit ausständigen Arbeiten bei den Vereinbarungen zu beginnen. Allerdings war zugleich auch von wachsendem Unverständnis für das Chaos in London die Rede.

Am Donnerstag hatte May den anderen Staats- und Regierungschefs zunächst ihre Vorstellungen über zusätzliche Zusicherungen zum Brexit-Vertrag dargelegt. Danach trat der 27er-Gipfel zur Debatte darüber zusammen. Ursprünglich war vor Mays Abreise eine Stellungnahme angekündigt worden, doch sie reiste überraschend ohne Kommentar ab. Später verlautete aus Ratskreisen, dass May vorgeschlagen habe, ein Datum für das nachfolgende Freihandelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien zu nennen.

Grafik: Sebastian Kienzl, Stefan Binder

In der Nacht davor hatte May im Unterhaus in London einen Misstrauensantrag der eigenen Partei relativ deutlich überstanden, worüber sie sich erfreut zeigte. Nun gelte es, die Abgeordneten davon zu überzeugen, dass der ausgehandelte Brexit-Vertrag die beste Lösung für ihr Land sei.

Die Staats- und Regierungschefs der EU-27 sind grundsätzlich bereit, der Premierministerin zu helfen, damit sie bei der am Dienstag verschobenen Abstimmung im britischen Parlament doch noch eine Mehrheit bekommen kann, wie Bundeskanzler Sebastian Kurz als EU-Ratsvorsitzender bestätigte. Das Votum im Unterhaus soll zwischen 7. und 18. Jänner nachgeholt werden.

Spielraum bei der "politischen Erklärung"

Der eigentliche Austrittsvertrag mit allen Details zum geregelten Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der Union dürfe aber nicht mehr geändert werden, betonte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, so wie die meisten anderen EU-Regierungschefs.

Allerdings gibt es Spielraum bei der den Brexit-Vertrag begleitenden "politischen Erklärung" zum zukünftigen Verhältnis zwischen der EU und Großbritannien als Drittland. Geplant ist, dass es nach dem 29. März 2019 zunächst eine "Übergangsphase" von 21 Monaten bis Ende 2020 geben soll, in der die EU-Regelungen für die Briten weiterhin gelten sollen, als wären sie EU-Mitglieder. In der Zeit soll über ein Freihandels- und Zollabkommen verhandelt werden. Die Grenzen zwischen Irland und Nordirland bleiben dabei offen. Die EU-27 bestehen aber darauf, dass Nordirland auch bei einem Scheitern eines Freihandelsabkommens weiter in der Zollunion bleibt und die Grenzen mit einer "Auffangslösung" (Backstop) geöffnet bleiben, um den Friedensprozess gemäß dem Karfreitagsabkommen von 1998 nicht zu gefährden.

Die britischen Brexit-Hardliner sehen das als unzulässigen Eingriff in die Souveränität ihres Landes. Es könne nicht sein, dass ein Teil des Vereinigten Königreichs zollmäßig anders behandelt werde als der Rest des Landes.

Der STANDARD hatte bereits Donnerstagnachmittag über die später angenommene Kompromissformel berichtet: Das Problem solle gelöst werden, indem die EU-27 den Briten weitere Zusicherungen geben, dass die bisher festgeschriebene Backstop-Lösung nicht zeitlich unbegrenzt ist. Vielmehr sei sie eine Notfallvariante, die auch gar nicht im Interesse der Union liege.

Ergänzungen in "politischer Erklärung"

Das soll durch Ergänzungen in der "politischen Erklärung" zum Ausdruck gebracht werden. Der Textentwurf hatte vorgesehen, dass die Union "fest entschlossen ist", so "rasch wie möglich" ein Abkommen mit London abzuschließen, das über den 31. Dezember 2020 hinausreicht. Der Backstop soll gar nicht erst zur Anwendung kommen, wird betont.

Das allein dürfte May als Versicherung jedoch nicht reichen. Die EU-27 wären daher auch bereit, sich schriftlich dazu zu bekennen, dass die Erklärung zur offenen Grenze in Nordirland "nur zeitlich begrenzt" gedacht sei, bis zu einer Nachfolgeregelung, die den Backstop ersetze.

Aller Voraussicht nach wird sich das in den Schlusserklärungen des Gipfels am Freitag wiederfinden. Dann wird auch das zweite Hauptthema – Migration – behandelt. (Thomas Mayer aus Brüssel, 13.12.2018)