"Macron, tritt zurück", steht auf der gelben Weste dieses Demonstranten.

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Straßburg/Paris – Emmanuel Macron lässt sich nicht beirren. Ungeachtet des Terroranschlags in Straßburg mit drei Toten hält er an seinem Zeitplan fest. So traf der französische Staatschef dutzende Unternehmenschefs, um für seine milliardenschweren Sofortmaßnahmen in der Sozialpolitik zu werben und die Konzerne zum Mitziehen zu ermuntern.

Die Maßnahmen hatte Macron nach langem Zögern angekündigt, um die von Massenprotesten der Gelbwesten ausgelöste Krise zu meistern. Am Donnerstag reiste der Staatschef dann zum EU-Gipfel nach Brüssel. Es sei nicht nur Frankreich getroffen worden, sagte er dort, sondern auch eine "europäische Stadt". In Straßburg tagt unter anderem das Europaparlament.

Viele Facetten der Dauerkrise

Macron und die Regierung müssen laut französischen Kommentatoren inzwischen eine Dauerkrise mit vielen Facetten bewältigen. Kaum war die Antwort auf die Gelbwesten-Proteste formuliert, eröffnete der polizeibekannte Gefährder Chérif Chekatt das Feuer in der Straßburger Innenstadt. Die Attacke kostete drei Menschen das Leben, viele wurden verletzt, teilweise schwer. Am Donnerstagabend spürten Einsatzkräfte den mutmaßlichen Attentäter schließlich auf – er wurde von der Polizei getötet.

Angesichts der zugespitzten Lage appelliert die Regierung an die Gelbwesten, am kommenden Wochenende nicht zu demonstrieren. Regierungssprecher Benjamin Griveaux sagte, die Regierung habe Demonstrationen bisher zwar nicht verboten. Die Gelbwesten sollten jedoch vernünftig sein und am Samstag nicht auf die Straße gehen, sagte Griveaux dem Sender C News.

Auch der Chef der gemäßigten Gewerkschaft CFDT, Laurent Berger, rief dazu auf, von den Protesten am Wochenende abzusehen, um die Polizei nicht zu überlasten. Ob die Appelle fruchten, ist eher fraglich – einige Vertreter der Protestbewegung signalisierten, auch nach dem Terroranschlag demonstrieren zu wollen.

Verschwörungstheorien kursieren

Schon in zurückliegenden Wochen waren Hunderttausende gegen die Reformen der Regierung auf die Straßen gegangen. Dabei kam es immer wieder zu gewalttätigen Krawallen. Am vergangenen Samstag hatte die Regierung rund 90.000 Sicherheitskräfte aufgeboten, davon allein 8.000 in der Hauptstadt.

Proteste am Samstag, Ansprache Macrons mit den Sofortmaßnahmen im Sozialbereich am Montag, Terroranschlag im Elsass am Dienstagabend: Der Ablauf der Ereignisse wird in sozialen Netzwerken zum Anlass genommen, völlig abstrus erscheinende Verschwörungstheorien zirkulieren zu lassen. Demnach soll der Anschlag eine "von oben" gesteuerte Aktion gewesen sein, um die Protestbewegung zu schwächen und weitere Proteste zu durchkreuzen. "In den sozialen Netzwerken liest man zurzeit Unsinn", kommentierte Regierungssprecher Griveaux.

Angesichts des schweren Anschlags im Elsass flammt in Frankreich die seit Jahren schwelende Terrordebatte wieder auf. Macron muss auch darauf Antworten finden. So fordert die politische Rechte, hart gegen Verdächtige vorzugehen, die in der staatlichen Akte "S" als radikalisiert geführt werden. Auch der in Straßburg geborene Tatverdächtige vom Dienstag gehört dazu. (APA, dpa, 14.12.2018)