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"Trink' ich vom Rubine der Lippen, / Ach! wo bleibt der Verstand! / Sehe ich das trunkene Auge, / Wer bewahret mich dann?" Wer meint, Klassiker seien nur dazu da, möglichst viel Staub anzusetzen, der hat noch niemals sein amouröses Praxis-Glück mit zwei großen Liebespoemen probiert. Das eine ist das Hohelied Salomos, das andere Der Diwan von Mohammed Schemsed-din Hafis (um 1315-1390), vielleicht des größten und berauschendsten Dichters, den die persische Kultur hervorgebracht hat.

Mehr als 600 Jahre alt sind seine Verse, die schöne Übertragung des österreichischen Diplomaten Joseph von Hammer-Purgstall erschien 1813. Und doch faszinieren Sprache und Farbigkeit noch immer: "Der Frühling hat die Reize / Von deiner Schönheit nur erklärt, / Das Paradies erinnert / Mit jedem Schritt an dich."

2007 las Wolfram Koch, mittlerweile auch Tatort-Ermittler, eine Auswahl aus den 500 Diwan-Gedichten mit geschmeidiger Verve ein. Ein schöner Archivfund. Liebestrunkenheit, Liebesunglück, Lebenszugewandtheit, eine "Übersicht des Weltwesens" (Goethe). (Alexander Kluy, 3.1.2018)