Noch ist es zu früh für eine Bilanz. Doch die Signale im Vorfeld deuteten darauf hin, dass es nicht die heimischen Händler sind, die im Weihnachtsgeschäft den großen Reibach machen. Reisen, Wellnessurlaube, Onlineshopping – die Konkurrenz für den stationären Handel ist groß. Andererseits erwarten die Beschäftigten ein kräftiges Plus. Bei den Kollektivvertragsverhandlungen kam man bislang auf keinen grünen Zweig. Am Montag steht die nächste Runde an.

Die Arbeitnehmervertreter wollen, dass das Plus bei Löhnen und Gehältern mindestens drei Prozent ausmacht, den Arbeitgebervertretern ist das zu viel. Kommt bei der Verhandlungsrunde am Montag nichts heraus, wird wohl wieder protestiert. Doch wie sieht es für die Konsumenten aus – besonders für jene, die es in die Geschäfte zieht? Ist jetzt das große Knausern angesagt? Oder das pure Gegenteil? Hat der Handel etwas zu verschenken?

Mittag in einer bekannten Elektrohandelskette in Wien. Man weiß, was man will. Ohrstöpsel für ein von Schlaflosigkeit geplagtes Familienmitglied. Andere gustieren noch. Da werden knallbunte Kopfhörer ausprobiert, ein junger Mann im roten Anorak schaut interessiert durch den Sucher eines teuren Kameramodells. Könnte sein, dass sich in Kürze jemand darüber freuen wird. Die gesuchten Ohrstöpsel sind bald ausgemacht. Schön designt und wirklich hilfreich, wie ein Test in einem Magazin ergeben hat. Ein Wermutstropfen ist der Preis. Die puristischen Kapseln sind teuer. In diesem Markt ist der Preis besonders hoch. Im größten Onlinekaufhaus der Welt kosten sie um 16 Prozent weniger, im hauseigenen Onlineshop um 15 Prozent.

Auch auf der Suche nach Präsenten haben viele nichts zu verschenken. Die einen, weil sie aufs Geld schauen müssen, die anderen, weil sie Spaß an der Freud' haben.
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Im Internet habe man sie viel günstiger gesehen, sagt man zu dem freundlichen Verkäufer, der bedächtig die Gerätschaft aus einem Regal nimmt. Ob man da nichts machen könne, fragt man treuherzig. Da müsse er jetzt einmal schauen, wie hoch die Spanne sei, sagt der junge Mann mit den schulterlangen Haaren und dem Mehrtagebart. Konzentriert beugt er sich über den Computer. Nein, leider, schüttelt er fast bedauernd den Kopf. So viel gibt seine Spanne nicht her. Könne man sich bei 234 Euro statt der angegebenen 269,99 treffen? Das lasse sich machen. Kein Problem.

Um den Preis feilschen beim Einkaufen, das macht man auf dem Basar. In Istanbul sind die Händler beleidigt, wenn man nicht mit ihnen verhandelt. Hierzulande – so denkt man – ist das auf dem Flohmarkt üblich, beim Autokauf oder beim Erstehen der neuen Maßküche. Dass Celebritys selbstverständlich in Luxushäusern eigene Termine nach den Öffnungszeiten vereinbaren, das ist bekannt. Preisarrangements inbegriffen.

Doch wie sieht es bei Otto Normalverbraucher im Handel aus? Geht da was und, wenn ja, wo? Allen Rabatten und künstlich kreierten Verkaufsschlachten wie Cyber Monday und Co, allen Kundenkarten und Sonderaktionen zum Trotz? Wer bezahlt, was auf den Preisschildern dieser Welt so steht? Bei weitem nicht der Großteil, sagt Rainer Will vom Handelsverband. "Der Handel hat sich die Konsumenten so erzogen", fügt er etwa säuerlich hinzu, denn leisten könne sich das nicht jeder Betrieb.

Billiger, billiger, billiger: Rabattschlachten wie der Black Friday finden sich mittlerweile auch im heimischen Handel.
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Wolfgang Richter, Standortberater für den Handel, geht noch weiter: "Jeder Rabatt tut weh." Vor allem jetzt, da der heimische Handel in einer besonders sensiblen Phase ist und um wirtschaftlich sinnvolle Konzepte kämpft. In einer Zeit, in der Österreich eine grassierende Rabattitis erlebt und immer mehr Käufer in den Onlinehandel abwandern. Richter erinnert auch an den Preisverfall bei Produkten und nennt als herausstechendes Beispiel Damenwäsche. War das vor zehn Jahren teure Ware, ist sie mittlerweile um ein paar Euro zu haben. In diesem Preissegment – Stichwort Primark, H&M und Co – werde auch nicht gehandelt, sagt Richter. Just dort nicht, wo tatsächlich Geld verdient wird – etwa auch bei Diskontern wie Hofer. Auch die britische Diskontkette Primark zählt zu jenen Modehändlern, bei denen die Umsatzrendite mit rund zehn Prozent besonders hoch ist. Viele Konkurrenten aus der Branche grundeln bei zwei Prozent oder darunter.

In höherpreisigen Segmenten ist aber dennoch Nachlass herauszuschlagen. Beliebte Methode: Man nehme zwei Jeans und bekomme dafür zehn Prozent. Das funktioniert, wie ein Besuch in einer Boutique zeigt. Tatsächlich wird wohl bei Schuhen und Bekleidung hin und wieder gehandelt, sagt Richter. Bevorzugte Branche in Sachen Feilschen seien aber höherwertige Güter, Waschmaschinen, Möbel, Autos. Dort ist dies vom Handel auch am ehesten einkalkuliert. Am häufigsten praktiziert wird wohl die eingangs beschriebene Methode: Wenn du es anderswo günstiger findest, bekommst du es um diesen Preis. Manche Sporthandelskette wirbt damit offensiv, andere machen es still und heimlich.

Preisvorteile herausschlagen

Preisvorteile kann man mit diesem Argument erstaunlich oft herausschlagen, wie der Praxistest zeigt. Den Kaminofen zum Preis von 1.350 Euro im Baufachmarkt bekommt man mit dem Argument, den habe man um 1.200 Euro gesehen, ohne viel Aufhebens um den genannten Preis. Was vielleicht dazu beigetragen hat: Es war ein ruhiger Samstag. Ausreichend Zeit zum Beraten und Gustieren – eine stressfreie Situation dürfte helfen.

Dass der Handel da mitziehe – und da meint er überhaupt den Trend zum Verschleudern –, dafür sei er selbst verantwortlich, sagt Rainer Will vom Handelsverband. Die Händler sehen sich laut Standortberater Richter in einem Teufelskreis, dem nicht zu entkommen ist: "Das ist ein Blödsinn, aber man muss mitmachen", so würden das viele sehen. "Ein starker Händler macht da nicht mit."

Selbstverständlich gibt es auch in anderen Ecken dieser Welt Shopping-Feiertage. Hier etwa der Blick auf die Geschäftigkeit bei einem chinesischen Logistiker nach einem Onlineshopping-Event im heurigen Herbst.
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Das Internet habe den Preisfokus sehr verstärkt, da es Preisvergleiche fördert, ist auch der Handelsforscher Peter Schnedlitz von der Wirtschaftsuniversität Wien überzeugt. Das Schnäppchenjägertum sei relativ unabhängig von Alter, Geschlecht und Haushaltseinkommen. Wobei er schon Unterschiede sieht: "Poor people need low prices, rich people love low prices." Mit anderen Worten: Wer wohlbestallt ist, freut sich über Schnäppchen.

Junge feilschen nicht

Beispiele wie Niki Lauda, der nichts zu verschenken hat, und Ex-ÖVP-Minister Martin Bartenstein, der zwar herrschaftlich auf einem Schloss lebt, aber in seiner Politzeit beim Kauf von Schuhen um einen Rabatt feilschte, scheinen dies zu belegen. Richter hält die Neigung zum Handeln dennoch auch für eine Generationenfrage. "Die Digital Natives sind es gewohnt, im Internet einzukaufen. Dort kann man nicht handeln. Das machen sie auch im stationären Handel nicht." Tatsächlich zeigt der Versuch, bei einem größeren Onlinehändler einen Nachlass herauszuschlagen, dass dies nicht vorgesehen ist. Man könne dem Wunsch generell nicht entsprechen, heißt es lapidar.

In Istanbul sind Händler beleidigt, wenn nicht gefeilscht wird.
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Doch zurück in die stationäre Praxis. Zwar zählt man sich persönlich weder zu den Armen noch zu den Reichen, auch Kundenkarten besitzt man nicht, aber – siehe da – man kommt auf den Geschmack. Ist einmal die Hemmschwelle überschritten, macht das Handeln plötzlich Spaß. Selbst bei Lebensmitteln kann man sich trauen, zumindest auf dem Markt. Gemüse gibt es kurz vor dem Zusperren am Samstagmittag erheblich günstiger. Auch in einem unscheinbaren Geschäft um die Ecke stößt der Wunsch nach einem Nachlass auf offene Ohren. Hier wird Hundefutter verkauft, gefrorene Kutteln, Kaninchenohren mit Fell. 30 Euro macht die Rechnung aus. "Geht das auch günstiger?" – "Weil ... ?", fragt die Verkäuferin. "Nur so, wegen der Menge." Mit dieser Antwort kann sie etwas anfangen. "Zehn Prozent sind alleweil drin, vor allem bei netten Kunden", sagt sie. Selbst dort, wo man denkt, die Preise seien ohnehin knapp kalkuliert, geht etwas. Zum Beispiel im Outlet eines bekannten Möbelgeschäfts. Man liebäugelt mit einem Lampenschirm. Schick, ein Auslaufmodell, um 50 Prozent günstiger als der Originalpreis. Zwölf Prozent schlägt man dennoch heraus.

Auch wenn das Feilschen um den Preis nicht überall zum Erfolg führt, beschert es vergnügliche Momente, wie ein Besuch beim Bäcker zeigt. Ein Duft von Vanillekipferln und frischem Brot durchzieht das Verkaufslokal. Nusskipferln, Semmeln und Baguette werden eingekauft. Die Rechnung beträgt 24 Euro. Die freundliche Mitarbeiterin verrät gerne, was im Nusskipferl drin ist. Auf die Frage nach einem Preisnachlass schaut sie irritiert. Erst bei neuerlicher Nachfrage versteht sie. "Das kann ich nicht selbst entscheiden, da müsste ich den Chef fragen", sagt sie dann. Der Gesichtsausdruck lässt den Schluss zu, dass sie sich die Frage stellt, warum sie noch nicht selbst draufgekommen ist. Es bleibt bei den 24 Euro, denn der Chef ist nicht da. Was sie noch sagt: Das sei ihr noch nie passiert, dass jemand handeln will. Aber warum eigentlich nicht. (Regina Bruckner, 17.12.2018)