Die "Schwadron des Volkes" rollt nunmehr langsamer dahin.

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War es die beißende Kälte? Oder doch die Ankündigung umfangreicher Konzessionen durch Emmanuel Macron? Nur noch 66.000 Gelbwesten wurden am Samstag in Frankreich auf den Straßen gezählt, und die 4.000 Demonstranten in Paris richteten angesichts einer doppelten Polizeiübermacht auch keine größeren Schäden an. 168 Protestierende wurden vorübergehend festgenommen.

Nur in einigen Provinzstädten wie Bordeaux und Lyon blieb die Mobilisierung ähnlich stark wie eine Woche zuvor. Ansonsten scheinen die "Gilets Jaunes" reichlich demoralisiert. Auf der Pariser Kundgebung meinte eine junge Frau, sie habe das "Gefühl einer Niederlage". Macrons Zugeständnisse seien "Brosamen", die er größtenteils schon in der Präsidentschaftskampagne versprochen habe.

Mehr erreicht als gefordert

Die Frustration der Gelbwesten scheint auf den ersten Blick paradox, haben sie doch mehr erreicht, als sie ursprünglich gefordert hatten: Macron hat nicht nur die Erhöhung der Benzinsteuer für mindestens ein Jahr ausgesetzt; er erhöht auch den Mindestlohn und befreit die Überstunden sowie niedrigere Renten von der Besteuerung. Die Vertreter der unteren Mittelklasse, die viel arbeiten, aber wenig verdienen, haben dennoch den Eindruck, dass sich ihre Lage strukturell nicht bessern wird: Ihre Kaufkraft stagniert, während die Ausgaben inklusive Steuern und Abgaben unaufhaltsam steigen.

Macron verspricht zwar für März regionale Gesprächsrunden, die zum Beispiel für bessere Transportbedingungen sorgen sollen. Die Gilets Jaunes aber sehen darin bloß ein Wahlkampfmanöver vor den Europawahlen im Mai. Macrons Partei La République en Marche (LRM) droht dabei ähnlich einzubrechen wie ihr Präsident derzeit in den Meinungsumfragen: Dort kommt LRM nur noch auf 18 Prozent der Stimmen.

Le Pen in Führung

Das ist immerhin mehr als die bürgerliche Rechte (elf Prozent), die Linke (neun Prozent) und die Sozialisten (fünf Prozent). Die erste Kraft wäre aber laut den Prognosen klar der Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen mit 24 Prozent der Stimmen.

Diese Vorhersage überrascht nicht, fordert doch Le Pen ähnlich widersprüchliche Maßnahmen wie die Gelbwesten – nämlich höhere Sozialzuschüsse bei niedrigeren Steuern. Politologen rücken die aus dem Nichts gekommene Bürgerbewegung mit Autowarnwesten deshalb in die Nähe der italienischen Cinque Stelle. Führerfiguren und eine organisierte Struktur fehlen ihr aber völlig. Deshalb muss sich erst weisen, ob die Gilets Jaunes eine politische Rolle spielen oder gar an den Europawahlen teilnehmen können.

Macron wird trotzdem mit ihnen rechnen müssen. Die Bewegung ist zwar am Verebben, aber nicht tot. Die Gelbwesten haben zudem sein Image als unerschütterlicher Reformer schwer beschädigt. Noch ist nicht absehbar, wie Macron zu seinem alten Kurs zurückfinden kann, ohne ständig Rücksicht auf Sozialforderungen nehmen zu müssen. Diese drohen nun von politischen Kräften zu kommen, die bedeutend besser organisiert sind als die Gilets Jaunes. (Stefan Brändle, 16.12.2018)