Neonics wirken auf Bienen bis zu 10.000 Mal stärker als das berühmt-berüchtigte DDT.

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Groß war die Euphorie unter Imkern und Naturschützern, als im April 2018 drei Insektizide aus der Wirkstoffgruppe der Neonicotinoide, kurz Neonics, europaweit verboten wurden. Neonics tragen weltweit zum massenhaften Bienen- und Insektensterben bei. Nicht, dass wir durch das Verbot plötzlich ohne Insektizide dastünden: es gibt noch 16 Neonic-Pestizide, die in der Landwirtschaft oder auch im Privatbereich eingesetzt werden dürfen.

Neonics werden oft zur Beizung von Saatgut eingesetzt. Dabei wird das Samenkorn mit den Insektiziden ummantelt und soll dadurch gegen Insektenfraß geschützt sein. Die Neonics wirken systemisch und verteilen sich in der Pflanze von der Wurzel bis in die Blüten. Nur etwa 20 Prozent der Neonics werden von der zu schützenden Kulturpflanze aufgenommen, der Rest reichert sich im Boden an oder wird in Gewässer ausgewaschen. Neonics sind extrem starke Nervengifte: auf Bienen wirken sie bis zu 10.000 Mal stärker als das berühmt-berüchtigte DDT. Im Boden beeinflussen sie nicht nur Insekten, sondern auch die Aktivität der Regenwürmer. Zugvögel, die ein gebeiztes Samenkorn zu fressen bekamen, verloren ihre Orientierung und wussten nicht mehr in welche Richtung sie fliegen sollen. Bei Menschen werden Neonics mit Störungen der Gedächtnisfunktion in Verbindung gebracht.

Misere der Zuckerrübenbauern

In Österreich fürchten vor allem die Zuckerrübenbauern, dass es ohne diese Neonics zu Ernteeinbußen durch Insektenfraß kommt. Das heurige Jahr war schwierig für die Rübenbauern – wie für viele Sparten der Landwirtschaft. Kein Wunder, war es doch eines der wärmsten und trockensten seit es Aufzeichnungen gibt. Die Erntemengen bei Zuckerrüben schwankten aber auch schon in den Jahren davor von 4,2 Millionen Tonnen im Jahr 2014 bis 2,8 Millionen Tonnen im Jahr 2015. Für heuer liegen noch keine Zahlen vor. Bemerkenswert ist, dass die Erntemengen schwanken obwohl mit den jetzt eigentlich verbotenen Neonics angesät wurde. Das lässt wohl den Schluss zu, dass andere Faktoren wichtiger sind.

Möglicherweise besteht ja die eigentliche Notlage der Rübenbauern darin, dass die Zuckerpreise im Keller sind, weil es in Europa eine enorme Überversorgung mit Zucker gibt; hinzu kommen Unabwägbarkeiten durch den Klimawandel. Diese Situation ist sicher stressig – allein, das Neonic-Verbot kann dafür wohl nicht verantwortlich gemacht werden.

Notwendige Entscheidungen

In Österreich kümmert sich das Bundesamt für Ernährungssicherheit um die Notfallzulassungen. Für die Entscheidung ist auch eine Bestätigung der Bundesländer einzuholen. Als wichtiges Bundesland mit Zuckerrübenanbau hat sich mittlerweile das Burgenland gegen eine Notfallzulassung ausgesprochen; auch Wien lehnt ab. Kärnten dürfte nach dem kürzlich beschlossenen Glyphosat-Verbot wohl auch kritisch eingestellt sein. In Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark wurden nun die Notfallzulassung erteilt.

Als Forscher stutze ich, wie in der gesamten Pestiziddebatte wissenschaftliche Fakten einfach ignoriert werden, wenn sie einem nicht in den Kram oder ins Geschäftsmodell passen. Fest steht, dass mit einer Notfallzulassung verbotener Neonics den Rübenbauern nicht aus ihrer Misere geholfen werden kann. Fest steht auch, dass damit wissentlich die Biodiversität gefährdet wird und letztendlich auch jene Sektoren der Landwirtschaft die auf Bestäuberinsekten angewiesen sind. Vielleicht kommen wir irgendwann zur Einsicht, dass wir raus müssen aus der Pestizidtretmühle – im Sinne einer wirklich nachhaltigen Landwirtschaft zum Wohle unserer Umwelt und Gesundheit. Aber da bin ich jetzt schon beim weihnachtlichen Wunschzettel. (Johann G. Zaller, 16.12.2018)