Ob am anderen Ende der Leitung tatsächlich die Soforthilfe für Lehrer abhebt oder nicht, darüber sind sich Stadt und Pflichtschullehrervertretung uneinig.

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Wien – Zweimal klingelt es auf der anderen Seite der Leitung. Dann meldet sich eine Männerstimme: "Soforthilfetelefon für Lehrer." Über die Hotline der Stadt Wien können sich Lehrer werktags von 9 bis 16 Uhr an die Experten der Kinder- und Jugendanwaltschaft wenden. Die Hotline für Lehrer präsentierten Wiens Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky und Bürgermeister Michael Ludwig (beide SPÖ) Ende September im Zuge eines Maßnahmenpakets, das Lehrkräften vor allem in Brennpunktschulen helfen soll.

Zwei Mitarbeiter nehmen die Anrufe der Lehrer, Schüler und Eltern entgegen. Man komme immer durch, außer beide Leitungen seien belegt, so die Auskunft. Wenn das tatsächlich einmal passiert, würde man zurückrufen, versichert ein Mitarbeiter.

Kritik von Lehrern

Die Wahrnehmung der Lehrer sei eine andere, kritisiert der Zentralausschuss der Wiener Pflichtschullehrer in einem Brief an Bürgermeister Ludwig. Zwar würden die Landeslehrer "jede Maßnahme, die die schwierige Arbeitssituation" der 14.000 Kollegen an Wiener Pflichtschulen erleichtert, begrüßen, allerdings würde die "durch die eingerichtete Hotline versprochene Akuthilfe nicht gewährleistet", schreibt Thomas Krebs, Vorsitzender der Personalvertretung.

Im Gespräch mit dem STANDARD berichtet Krebs von mehreren Fällen, die unmittelbar an ihn herangetragen wurden. Etwa fünf bis sechs Lehrer hätten sich bei ihm gemeldet, die keine Rückmeldung erhalten haben sollen. Auch er selbst habe angerufen und niemanden erreicht. "Diese Maßnahme nützt uns leider gar nichts", sagt Krebs. Lehrer, die die Hotline in Anspruch genommen haben, hätten ihm berichtet, dass sie von einer Stelle zur anderen weitergereicht wurden. So würden die Lehrer beispielsweise von der Hotline an die eigene Dienstaufsicht weiterverbunden.

"Natürlich" würde die Hotline Lehrer an bestehende Unterstützungssysteme weiterleiten, heißt es aus dem Büro von Czernohorszky auf Anfrage. Es mache keinen Sinn, zu den gut funktionierenden, bereits existierenden Stellen eine Doppelstruktur aufzubauen. Die Hotline würde eine bessere Koordination und einen niederschwelligen Zugang zu Informationen darstellen.

Gewalt nur Spitze

Das reicht den Lehrern nicht. Krebs will "Maßnahmen, die greifen". Zwar sei Gewalt ein wichtiges Thema, Ausschreitungen aber nur die "Spitze". In den Wiener Schulen gebe es "tausende Schüler, die Gewaltpotenzial in sich tragen" und eine potenzielle Gefahr für sich oder die Pädagogen darstellen, so Krebs.

Zudem müsse die Stadt auch Anreize schaffen, damit Lehrer an einer Wiener Pflichtschule unterrichten wollen und nicht Stellen in Niederösterreich annehmen. Lehrplätze in dem Nachbarbundesland seien nämlich aus vielen Gründen begehrt – etwa wegen der kleineren Klassengrößen und der homogeneren Klassen. In Wien fänden sich Lehrer oft in einer Klasse mit 25 Kindern wieder, die beinahe alle einen schwierigen sozialen oder sprachlichen Hintergrund hätten oder von ihrer Fluchtgeschichte traumatisiert seien. Hier fehle das Fachpersonal.

Krebs fordert die Stadt Wien auf, den sonderpädagogischen Bereich auszubauen und gut geschultes Supportpersonal den Schulen zur Verfügung zu stellen. "Um die aktuellen Gewalttätigkeiten an Schulen im Sinne der einzelnen Standorte und auch im Sinne der Wiener Bevölkerung eindämmen zu können", schreibt er in dem Brief an Ludwig, der dem STANDARD vorliegt. Es fehle aber auch an anderen Stellen, etwa an Schulärzten und Schulpsychologen, erzählt er.

Einsatzteams ab Jänner

Insgesamt 84 Telefonate – Stand Sonntag – habe es seit dem Start der Hotline am ersten Oktober gegeben, heißt es aus dem Büro des Bildungsstadtrats. Dabei stünde die Beratung der Anrufer im Vordergrund. Die Themenpalette sei breit: Mobbing, Konflikte zwischen Schülern, belastende Arbeitssituationen würden besprochen. Aber auch Eltern, die sich über Lehrer beschweren, würden sich bei der Hotline melden. 55 Prozent der Anrufe kamen von Pädagogen, in 39 Prozent der Anrufe nahmen Eltern den Hörer in die Hand.

Für den Fall, dass eine Lehrkraft den Eindruck hat, dass das akute Problem in der Schule durch telefonische Ratschläge nicht gelöst wird, kündigte Ludwig bereits im September einen Soforthilfetrupp an. Dieser soll aus Schulsozialarbeitern und -psychologen sowie Beratungslehrern bestehen. Laut einer Sprecherin Czernohorszkys werden die mobilen Einsatzteams im Jänner präsentiert. Sie sollen "zeitnah" ihre Arbeit aufnehmen. (Oona Kroisleitner, 17.12.2018)