Wer bis spätabends im Deutschkurs sitzt, könnte sich Probleme einhandeln, wenn das geplante Ausgehverbot tatsächlich kommt.

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Frage: Die Regierung plant, über Asylwerber ein nächtliches Ausgehverbot zu verhängen. Kann sie das überhaupt?

Antwort: Die Möglichkeiten der Bundesregierung sind begrenzt. Sie kann nur in den Bundeseinrichtungen bestimmen, welche Regeln gelten. In den zahlreichen Landesquartieren hat sie keinen direkten Einfluss, dort gelten Landesgesetze. Derzeit gibt es 20 Bundeseinrichtungen, die großteils für den ersten Verfahrensabschnitt gleich nach der Ankunft der Asylantragsteller in Österreich zuständig sind. Nach dieser Etappe werden die Asylwerber meist in Länderquartiere überstellt. Sollten Ausgehverbote auch dort eingeführt werden, müsste Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) also zuerst die Landeshauptleute von seinem Ansinnen überzeugen.

Frage: Wäre ein Ausgehverbot überhaupt verfassungskonform?

Antwort: Höchstwahrscheinlich nicht. Mehrere vom STANDARD befragte Grundrechts- und Fremdenrechtsexperten sind sich einig, dass ein absolutes nächtliches Ausgehverbot der Verfassung widersprechen würde. Sollte es ein Ausgehverbot mit Lücken sein, könnte die Regelung unter Umständen rechtskonform sein. Das hängt sehr stark von der konkreten Ausgestaltung des Gesetzes ab, aber auch davon, ob der Regierung ein guter Grund einfällt, warum die Ausgehsperre überhaupt notwendig ist. Es sei aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zulässig, nur aufgrund des Verhaltens einzelner straffällig gewordener Asylwerber freiheitseinschränkende Maßnahmen gegenüber einer gesamten Gruppe nur auf Basis des Aufenthaltsstatus vorzunehmen, sagt Grundrechtsexperte Adel-Naim Reyhani vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte. "Da fehlt es an einer sachlichen Rechtfertigung."

Frage: Die Regierung spricht jetzt lieber von einer "Anwesenheitspflicht" als von einem Ausgehverbot und denkt an eine Regelung per "Hausordnung". Wäre das ein Modell, das der Verfassung entspricht?

Antwort: Nachtruhezeiten in Asylwerberquartieren gibt es schon jetzt. In Kärnten beispielsweise müssen Asylwerber um 22 Uhr (im Sommer um 23 Uhr) im Quartier sein. Sie können sich aber mit den Quartiergebern etwas anderes ausmachen, die Regelung gilt also nicht lückenlos und dient vor allem dem Schutz der Nachtruhe der anderen Bewohner.

Frage: Welche Sanktionen könnten Unterkunftgeber verhängen, wenn jemand gegen die Hausordnung verstößt?

Antwort: Das ist eine zentrale Frage, die großen Einfluss darauf hat, ob die jeweilige Regelung dann grundrechtskonform ist oder nicht. Jemanden einfach des Quartiers zu verweisen oder ihm sogar gleich die Grundversorgung zu entziehen, wenn er zu spät ins Quartier kommt, "das würde vor keinem Gericht halten", glaubt Asylrechtsexpertin Anny Knapp von der Asylkoordination. Sollte die Sanktion darin bestehen, den Betroffenen temporär das Taschengeld zu streichen, wäre es noch eher denkbar, dass das rechtlich hält. "Die Frage ist aber, warum man Erwachsenen überhaupt vorschreiben muss, wann sie heimkommen", sagt Knapp. Zumal im Erstaufnahmelager Traiskirchen fixe Rückkehrzeiten eingeführt wurden, die de facto unnötig waren, weil ohnehin kaum jemand später nach Hause gekommen sei.

Frage: Die Regierung argumentiert, dass ja auch Soldaten zu einer fixen Uhrzeit zurück im Quartier sein müssen. Passt der Vergleich?

Antwort: Nur bedingt. In der Kaserne gilt kein lückenloses Ausgehverbot, Ausnahmen können vereinbart werden, und das passiert auch regelmäßig. Zudem ist der Zweck klar: Die Schlafenden sollen nicht gestört und die Einhaltung der frühen Tagwache garantiert werden. (Maria Sterkl, 17.12.2018)