Theresa May bleibt hart.

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Im Streit um die beste Brexit-Lösung geht nach der Geschlossenheit der konservativen Regierungspartei zunehmend auch die Kabinettsdisziplin verloren. Offensiv warben Minister der Regierung von Premierministerin Theresa May am Montag für eine Serie von Abstimmungen im Unterhaus; dadurch soll festgestellt werden, welcher Lösung das Parlament seine Zustimmung erteilen würde, falls es den vorliegenden Austrittsvertrag ablehnt. Downing Street 10, der Sitz der Premierministerin, lehnte dieses Vorhaben ab. Die Regierungschefin selbst wandte sich im Unterhaus außerdem mit Vehemenz gegen die Idee einer zweiten Volksabstimmung; diese würde "das Vertrauen der Bevölkerung verraten" und der britischen Politik "irreparablen Schaden" zufügen, sagte sie.

Für die Idee einer Volksbefragung werben einflussreiche Politiker wie der frühere Labour-Premier Tony Blair, aber auch eine Gruppe konservativer Hinterbänkler um Ex-Generalstaatsanwalt Dominic Grieve seit Monaten. Im Oktober gingen für die Forderung in London rund 700.000 Menschen auf die Straße. Dass die Premierministerin ihr Statement zum jüngsten EU-Gipfel vor allem für eine Polemik gegen das Referendum nutzte, wertete der Herausgeber der konservativen Zeitschrift "Spectator", Andrew Neil, als großen Erfolg der Lobbyisten.

Mit ihrer Einschätzung, wonach in Gesprächen mit den europäischen Partnern "weitere Klärung und Diskussion" möglich seien, stieß May im Parlament auf breite Skepsis. Die 27er-Gemeinschaft hatte vergangene Woche ihre Geschlossenheit hinter dem mit Großbritannien vereinbarten Paket aus Austrittsvertrag und politischer Zukunftserklärung bekräftigt. Eine Sprecherin der EU-Kommission teilte mit, es gebe "keine neuen Gesprächstermine" mit den Briten.

Hoffen auf Zugeständnisse

Das vorgesehene Unterhausvotum über das Verhandlungsergebnis hatte May vergangene Woche verschoben; es soll um den 15. Jänner stattfinden. Parteiübergreifend gilt die Ablehnung als wahrscheinlich. Für diesen Fall befürworten mehr als ein halbes Dutzend Minister nun die Abstimmungsserie, die einen Weg aus der Sackgasse ermöglichen würde.

Festgestellt würde die Präferenz des Unterhauses für eine der folgenden Lösungen: ein Chaos-Brexit ohne Deal; eine Lösung à la Norwegen, also Verbleib in Binnenmarkt und Zollunion ohne Stimmrecht in der EU; oder die zweite Volksabstimmung, bei der aber noch geklärt werden muss, welche Frage gestellt würde.

Die Premierministerin und die ihr verbliebenen loyalen Regierungsmitglieder klammern sich hingegen an die Möglichkeit weiterer Zugeständnisse durch die EU. Dabei geht es vor allem um das Problem der sogenannten Auffanglösung für Nordirland. Diese soll nur dann in Kraft treten, wenn sich beide Seiten nicht rechtzeitig, also vor Ende der Übergangsphase, auf ein weitreichendes Freihandelsabkommen einigen. Viele britische Abgeordnete wollen sie zeitlich begrenzen: Sie befürchten, Brüssel werde nicht ernsthaft verhandeln, wenn es keinen Druck auf die EU gebe. (Sebastian Borger aus London, 18.12.2018)