Was ist da los bei Rapid? Was ist da los bei der Wiener Polizei? Wer ist für die Eskalation beim Rapid-Fan-Marsch von Sonntagnachmittag in Wien-Favoriten verantwortlich? Das fragen sich viele Bürger dieser Stadt, die die Bilder der gesperrten Südosttangente und der stundenlang eingekesselten Menschenmassen, darunter auch Kinder, gesehen haben. Beide Seiten schieben einander die Schuld zu. Tatsächlich tragen beide Seiten Schuld.

Hardcorefans des österreichischen Fußballrekordmeisters tun nichts, um das seit jeher eher schlechte Verhältnis zur Polizei zu entspannen – im Gegenteil. Seit Monaten taucht auf Fanseiten A.C.A.B. auf – also die Abkürzung für all cops are bastards, die sich Rapid-Fans auf ihre Fahnen heften oder den entsprechenden Zahlencode 1312 auf Transparenten präsentieren.

Klischee von den Hooligans

Man kann diese Botschaft belächeln. Man kann sich darüber ärgern. Man muss sie aber inzwischen auch rechtlich bewerten, weil die Wiener Polizei einem grün-weißen A.C.A.B.-Fahnenträger eine Verwaltungsstrafe wegen Verletzung des öffentlichen Anstands aufgebrummt hat. Anwälte der Rapid-Rechtshilfe beriefen dagegen, blitzten aber auch beim Landesverwaltungsgericht ab. Es mag eine interessante juristische Frage sein, ob der Spruch überhaupt eine gröbere Empörung auslösen kann – im Stadion vermutlich nicht. Aber wenn sich Rapid-Fans allen Ernstes besser fühlen, wenn sie Polizisten Bastarde nennen, dann dürfen sie sich nicht wundern, dass das Klischee von den Hooligans der Westkurve weiter kursiert.

Provokationen

Viele Polizisten reagieren auf derartige Provokationen gereizt. In Zeiten, in denen Law and Order den Freund und Helfer abgelöst haben, vielleicht sogar gereizter als früher. Aber ein wütender Polizist ist kein guter Cop. Die Blockade des Rapid-Fanmarsches bei der Wiener Südosttangente von Sonntagnachmittag bis in die Nachtstunden als Retourkutsche der Polizei zu werten geht wohl zu weit. Von einer vorausschauenden, präventiven Strategie, wie sie bei derartigen Massenaufläufen eigentlich vorbereitet werden müsste, war aber nichts zu erkennen.

Die Polizei wusste, dass der Weg der Fans zur Generali-Arena der Wiener Austria über eine Brücke der Südosttangente, die meistbefahrene Autobahn Österreichs, führen würde. Wie die Exekutive berichtete, hätten einzelne Fans Getränkedosen, Kracher und Schneebälle auf die Fahrbahn geworfen, weshalb die Tangente komplett gesperrt werden musste. Das war zweifellos eine richtige Entscheidung.

Identitätsfeststellungen

Um Verdächtige herauszufischen beziehungsweise weitere gefährliche Gegenstände zu konfiszieren seien der Pulk gestoppt und Identitätsfeststellungen durchgeführt worden, teilte die Polizei mit. Die Autobahn wurde schon nach wenigen Minuten wieder freigegeben. Doch 1338 Personen mussten bei Minusgraden teilweise bis zu sieben Stunden lang ausharren. Sie wurden in einer Engstelle direkt neben der Tangente eingekesselt. Auch wenn laut Polizei Kinder samt Eltern früher drankamen und Notfallmediziner bereitstanden, war diese Maßnahme völlig überzogen.

Was folgt als Nächstes? Müssen sich alle Fahrgäste eines U-Bahn-Zugs perlustrieren lassen, wenn ein unbekannter Taschendieb eine Rolex erwischt? Müssen sich alle ausweisen, die vorm Innenministerium demonstrieren? Das Versagen der Polizei mag ein Zeichen von Verunsicherung sein. Und die wird meist mit Härte kompensiert. (Michael Simoner, 17.12.2018)