Leopold Zisler ist vor kurzem nach mehr als 30 Jahren aus einer betreuten Wohngruppe in seine erste eigene Wohnung in Mödling gezogen. Zu Weihnachten genießt er hier die Ruhe und freut sich über Besuch.

"Meine Wohnungssuche hat sieben Jahre gedauert. Die Wohnung musste innerhalb eines Radius von 1,5 Kilometern von meiner Wohngruppe bleiben, damit ich von dort mitbetreut werden kann. Eine Wohnung, die wir uns zuerst angeschaut haben, war viel zu groß für mich. Aber dann hat eine Dame von der Gemeinde diese Wohnung gefunden.

"Es gab schon ein paar, die gedacht haben, ich schaffe das nicht." Leopold Zisler in seinem eigenen kleinen Reich.
Foto: Lisi Specht

Das erste Mal gesehen habe ich sie im Mai. Damals waren hier von der Vormieterin noch ein Teppich und ein Bett herinnen. Ich hab gedacht: 'Oje, oje, der Teppich gefällt mir nicht.' Aber die Küche und die goldene Lampe haben mir gleich gefallen. Die Vormieterin war eine Goldmarie.

Im August bin ich auf Urlaub zu meiner Schwester in der Schweiz gefahren. Ich war schon ein bisschen nervös wegen der Wohnung. Mehr als 30 Jahre habe ich in einer betreuten Wohngruppe gewohnt. Es gab schon ein paar, die gedacht haben, ich schaffe das nicht. Und auf dem Rückweg aus dem Urlaub habe ich mir selbst auch gedacht: 'Oje ...' Außerdem gab es, als ich wegfuhr, noch keinen Strom in der Wohnung. Und ohne Strom wollte ich ganz sicher nicht rein.

Aber dann war ich wieder da, es war am 29. August. Da habe ich gleich den Schlüssel bekommen und bin losmarschiert. Ich war so müde, aber als ich raufgekommen bin, hat das Licht funktioniert, und das Bett war schon da. Zuerst habe ich gehofft, ich kann irgendwie schlafen. Und dann bin ich so schnell eingeschlafen, dass ich nur mehr gehofft habe, dass ich in der Früh aufkomme.

Fotos: Lisi Specht

Mein altes Bett hat nicht in die Wohnung gepasst, der Kasten auch nicht. Deshalb bin ich zu Ikea gefahren. Mir gefallen Weiß und Blau. Die Decke auf der Couch hat meiner Schwester so gefallen, dass ich sie ihr für Weihnachten auch gekauft habe. Sie war im Herbst auf Besuch da und hat im neuen Gästebett geschlafen.

Ich habe viele Erinnerungs- fotos aufgestellt. Von meinen Geschwistern und meiner Mama, zum Beispiel, die ich erst 2007 kennengelernt habe. Ein altes Familienfoto ist auch dabei. Wir waren 16 Kinder. Über dem Sofa hängt ein Bild von Waidhofen an der Ybbs. Dort bin ich aufgewachsen. Mein Betreuer Walter hat es gemalt und mir geschenkt.

Fotos: Lisi Specht

Die Wohnung ist 35 m² groß. Eine größere Wohnung brauche ich nicht. Das ist nur mehr zum Putzen. Der größte Vorteil ist für mich, dass ich hier ungestört früh aufstehen kann. In der Wohngruppe war es immer so, dass ich aufgestanden bin und hinter mir sechs andere nachgekommen sind, die fragten: 'Was tust du um die Zeit schon auf?' Wenn ich hier munter werde, schalte ich die Kaffeemaschine ein, mache mich fertig, frühstücke. Und dann Abmarsch. Um sieben bin ich meistens schon in der Wohngruppe. Ich gehe durch den Park, da ist es so lustig finster um die Zeit. Die 1,5 Kilometer gehe ich jeden Tag hin und nach der Arbeit wieder zurück. Das macht mir nichts aus.

Die Weihnachtsdekoration in meiner Wohnung habe ich von meinem Bruder bekommen. Er schickt mir jedes Jahr etwas. Ich dekoriere gern und habe sogar einen Adventkranz. Aber die Kerzen habe ich mich noch nicht anzünden getraut. Christbaum stelle ich mir keinen auf. Zu Weihnachten bin ich heuer hier. Ich habe mir gewünscht, dass ich alleine in meiner Wohnung bin. Aber vielleicht kriege ich ja doch Besuch. Darüber freue ich mich immer. Zu Silvester gehe ich dann in die Wohngruppe. Aber ganz zurück gehe ich nicht mehr, hab ich gesagt.

Das Schönste in dieser Wohnung ist die Ruhe. Hier kann ich so viel telefonieren, wie ich will, und keiner hört zu. Als Kind wurde ich wie eine Rakete hin und her geschickt. Kreuz und quer. Hier bleibe ich jetzt. (24.12.2018)