Die inneren Werte von Kühen werden schon jetzt genauestens erhoben. Neue Technologien sollen helfen, die Daten besser zu nutzen.
Foto: Heribert Corn www.corn.at

Wenn vom Internet der Dinge die Rede ist, mag jeder an etwas anderes denken: An das auch während seiner Abwesenheit effizient geheizte Haus, an besser versorgte unfallgefährdete Familienmitglieder oder auch an die optimierte Lagerhaltung von Gütern. Ein kürzlich gegründetes Konsortium aus 31 Wirtschafts- und 13 Forschungsinstitutionen denkt dabei an Kühe, Landwirte und Milchprodukte.

Das Projekt, das im Rahmen des Kompetenzzentrenprogramms Comet vom Wirtschafts- und vom Wissenschaftsministerium gefördert wird, nennt sich D4Dairy und soll die Milchwirtschaft mit modernster Technik voranbringen.

Die vier D im Projektnamen stehen für die Begriffe Digitalisierung, Datenintegration, Detection (Entdeckung bzw. Erkennung) und Decision-Making (Entscheidungsfindung). So sollen Daten aus landwirtschaftlichen Betrieben und Partnern entlang der Wertschöpfungskette Milch digitalisiert, standardisiert und zusammengeführt beziehungsweise ausgetauscht werden, um einen Mehrwert zu erzielen.

Apps für Landwirte und Tierärzte

Eine wesentliche Rolle dabei spielen Sensoren, die eine Art Internet der Kühe ermöglichen, wenn man so will. Außerdem kommen Methoden wie Big-Data-Analysen zum Einsatz, um gesundheitliche Risikofaktoren und Vorbeugemaßnahmen zu erkennen.

Und zu guter Letzt sollen die so gewonnenen Daten und Erkenntnisse die Grundlage für Tools bilden, die dem Landwirt und Tierarzt Entscheidungshilfen bieten. So könnte etwa eine entsprechende App Gesundheitsempfehlungen für die Tiere auf Basis dessen geben, was über ihre Krankengeschichte oder Umweltfaktoren bekannt ist.

Auch in der Zucht bieten sich neue Möglichkeiten. Von den rund zwei Millionen Rindern, die in Österreich gehalten werden, sind die meisten schon lange sorgfältig überwacht: Daten wie Abstammungen, Paarungen, Geburten, Krankheiten, Milchleistung und vieles mehr werden seit Jahrzehnten erhoben und aufgezeichnet.

Dabei geht es unter anderem um den sogenannten Zuchtwert, also die Einschätzung, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein bestimmtes Tier erwünschte Eigenschaften an seine Nachkommen weitergibt. Das ist nicht so einfach, weil ja bei der Verschmelzung der elterlichen Chromosomen nicht nur deren Gene gemischt, sondern auch in unterschiedlichen Kombinationen auf die Nachkommen verteilt werden. Die Töchter einer Kuh, die viel Milch gibt, müssen daher nicht automatisch auch gute Milchlieferantinnen sein.

Gesammelte Gendaten

Bis vor etwa zehn Jahren waren für die Beurteilung der genetischen Qualitäten eines Tieres neben äußeren Kriterien aufwendige Aufzeichnungen darüber nötig, wie weit Nachkommen seine Eigenschaften geerbt hatten. Diese Erhebungen sind zwar noch immer sehr wichtig, aber nicht mehr die einzige Informationsquelle.

De facto belegen die Daten aus diesen herkömmlichen Quellen beim Rinderdatenverbund, der die diesbezüglichen Daten von rund zwei Millionen lebenden deutschen und österreichischen Kühen und deren Vorfahren verwaltet, nur noch etwa 30 Prozent des Speicherplatzes.

Der Rest stammt aus genetischen Daten, genauer gesagt aus SNPs (für Single Nucleotide Polymorphism – Einzelnukleotid-Polymorphismus). SNPs oder "Snips", wie sie im Laborjargon heißen, sind Stellen in der Erbsubstanz, in der die zugehörige Basenfolge in mehr als einer Variante vorkommt. "50.000 solcher Snips kann man heute um 50 Euro bestimmen lassen", sagt Johann Sölkner vom Institut für Nutztierwissenschaften der Wiener Universität für Bodenkultur, "und sie liefern so viel Information über den Zuchtwert eines Stieres wie 25 seiner Töchter."

Auf Basis dieser "genomischen Selektion" geht die Zuchtwahl nicht nur erheblich schneller als bisher, sie kann auch neue gewünschte Merkmale identifizieren, "etwa Biomarker für Euter- oder Klauengesundheit", wie Sölkner ausführt.

Sensoren zeichnen auf, was die Tiere den lieben langen Tag lang machen – und können der Früherkennung von Krankheiten dienen.
Foto: D4Dairy

Eine ganz andere Form der Gesundheitsvorsorge ermöglichen Sensoren. So gibt es Messfühler, die die Rinder an einem Band um den Hals oder an den Beinen tragen und die aufzeichnen, wie viel Zeit die Tiere mit Fressen oder Liegen verbringen. Im Rahmen von D4Dairy hofft man, aus entsprechend großen Datenmengen gesundheitliche Probleme früher erkennen zu können: "Wenn eine Kuh zum Beispiel viel liegt und wenig frisst, könnte das ein Hinweis darauf sein, dass ihr das Stehen Schmerzen bereitet, und davon könnte man auf Klauen-Probleme schließen", sagt D4Dairy-Leiterin Christa Egger-Danner.

Ein eigens für Rinder entwickelter Sensor dringt übrigens noch tiefer in die Materie ein: Das etwa sieben Zentimeter lange Gerät wird von den Kühen verschluckt und misst mitten im Pansen pH-Wert, Temperatur und Bewegungsaktivität.

Big Data zur Gesundheitsvorsorge

Auch Big Data soll bei D4Dairy zum Einsatz kommen: Peter Klimek von der Med-Uni Wien, der sich am Complexity Science Hub bisher mit Gesundheitsdaten der österreichischen Bevölkerung befasst und dabei auch Zusammenhänge zwischen verschiedenen Krankheiten erforscht hat, wird sein dabei entwickeltes Analysemodell nun auch auf Milchkühe anwenden.

Besonderes Augenmerk soll dabei auf häufigen Krankheiten wie Euter- oder Gebärmutter-Entzündungen liegen. Dass die "Data" dafür "big" genug sind, darf angenommen werden: Immerhin sind zwei Millionen Milchkühe in Österreich und Deutschland daran beteiligt.

All diese und noch mehr Daten sollen den Landwirten letztendlich in Form praktikabler Softwaretools zugutekommen. "Wir wollen die enormen Datenmengen vernetzen, austauschen – selbstverständlich unter strengem Datenschutz – und gemeinsam ausloten, um sowohl das Tierwohl und die Tiergesundheit weiter zu verbessern als auch die Arbeit der Landwirte einfacher zu machen und sie wettbewerbsfähig zu erhalten", resümiert Egger-Danner. (Susanne Strnadl, 29.12.2018)