foto: apa/dap/Patrick Pleul

Gerade die Weihnachtszeit ist Hochsaison für Scheidungsanwälte. Über die Weihnachtsfeiertage kommen oft Eheprobleme ans Licht, welche übers Jahr vom Alltagsstress verdrängt werden konnten. Die Enttäuschung über das Fest, welches wieder nicht den eigenen Vorstellungen entsprach, wird gerne zum Anlass genommen das Eheleben an sich in Frage zu stellen.

Grund genug, um darüber nachzudenken, ob das derzeitige österreichische Familienrecht zeitgemäß ist.

Tradierte Geschlechterrollen

Als Familienrechtsanwältin habe ich die Wahrnehmung, dass es aktuell zu einer Festschreibung der tradierten Geschlechterrollen kommt: der Mann arbeitet, die Frau ist zuhause beziehungsweise in Teilzeit berufstätig. Bekanntlich ist eine gute bundesweite Kinderbetreuung für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unumgänglich. Wien ist jedoch derzeit das letzte Bundesland in welchem die Nachmittagskindergartenbetreuung gebührenfrei ist. Zum Teil gibt es in Österreich Förderungen für Frauen, die zu Hause bleiben und die Kinder außerhalb des Kindergartens zu betreuen. Nach wie vor ist – obwohl dies wirklich seit vielen Jahren ein politisches Thema ist – die Verlängerung von Kindergarten- und Schulzeiten bundesweit nicht realisiert. All dies kann wohl als Signal verstanden werden, dass von der Politik ein Abweichen von der konservativen Familienaufgabenverteilung nicht wirklich gewünscht ist.

Familienrecht reformieren

Viel war in den letzten Monaten von Frauenempowerment und Machtausnutzung die Rede. Da Macht und Geld zusammenhängen, wäre es wichtig, zur Geschlechtergerechtigkeit auch das Familienrecht einer Reform zu unterziehen.

Pensionssplitting: Durch Teilzeit oder Hausfrauendasein verfügen viele österreichische Frauen über keine oder nur eine geringe Eigenpension. Österreich kennt zwar unter bestimmten Voraussetzungen ein freiwilliges Pensionssplitting, jedoch ist diese Möglichkeit in der Bevölkerung kaum bekannt und wird nur selten in Anspruch genommen. Gleich wie in Deutschland sollte es bei uns für verheiratete Paare ein verpflichtendes Pensionssplitting geben. Dies würde bedeuten, dass zwischen einem Ehepaar im Fall einer Scheidung ein Ausgleich der Pensionsgutschriften statt zu finden hat.

Witwenpension: Hat eine Frau eine geringe Eigenpension, so sollte diese zur Erhalt ihres vollen Witwenpensionsanspruch nicht aktiv die Scheidungsklage einbringen. Dies bringt das geradezu absurde Ergebnis mit sich, dass wenn beispielsweise eine Frau von ihrem Ehemann betrogen wird, nicht die Frau, sondern vielmehr der Mann die Klage auf Scheidung einbringen sollte. Immer wieder kommt es in der Praxis vor, dass eine solche Frau den Mann geradezu betteln muss, die Klage einzureichen. Denn nur wenn der Mann die Scheidungsklage wegen Zerrüttung einbringt, und in weiterer Folge das Verschulden an dieser übernimmt, bekommt die Frau auch nach der Scheidung die Witwenpension im vollen Umfang. Die Frau erhält dann die nacheheliche Witwenpension so als wäre sie nicht geschieden worden. Dies ist vielen Mandanten (selbst jenen, die selbst Juristen sind) verständlicherweise unbegreiflich und wird von vielen als Demütigung befunden.

Allgemeines Sozialversicherungsrecht: Überhaupt ist die Materie des Allgemeinen Sozialversicherungsrechts mit all seinen Parallelgesetzen selbst für Experten sehr komplex gehalten und sollte im Wording überarbeitet werden.

Bei Scheidungen sind natürlich auch die sozialversicherungsrechtlichen Aspekte dieses Schritts zu überlegen. Die Beratungen sind sehr komplex und variieren stark von Fall zu Fall. Zumal Behörden das Wording von Scheidungsvereinbarungen immer wieder rechtlich anders einstufen. Beispiel Ehegattenunterhaltsverzicht: Einigt man sich nicht auf einen nachehelichen Ehegattenunterhalt, so hat man nach einer Scheidung nur dann Anspruch auf einen Ehegattenunterhalt, wenn den anderen Ehepartner das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft und sich ein Ehegattenunterhalt aber auch errechnet. Ein Ehegattenunterhalt errechnet sich aber nur bei einem deutlichen Einkommensunterschied der Ehepartner. Wird nun aber mangels Errechnung eines Ehegattenunterhalts in einer Scheidungsvereinbarung ein Verzicht auf Ehegattenunterhalt festgehalten, so bedeutet dies mitunter den Verlust von Sozialleistungen. Mitunter werden Rosenkriege nur deshalb angezettelt, um diesen Rechtsnachteil zu verhindern, dies auch dann wenn sich ein Ehegattenunterhalt überhaupt nicht errechnet. War es früher noch so, dass ein Verzicht auf Ehegattenunterhalt dann für den Sozialbezug nicht nachteilig war, wenn zum Zeitpunkt der Scheidung noch keine Sozialleistung (Mindestsicherung) bezogen wurde, so dürfte dies nun nicht eindeutige Behördenpraxis sein.

Mindestkindesunterhalt: Immer wieder in politischer Diskussion, aber auch noch nicht realisiert, die Einführung eines Mindestkindesunterhalts. Eine Bevorschussung von Unterhalt durch den Staat hat zur Voraussetzung, dass ein Unterhaltstitel vorliegt. Unterhaltsverfahren können sich jedoch hinziehen. Oft sind hiervon alleinerziehende Mütter betroffen, welche sich meist ohnedies in einer angespannten finanziellen Situation befinden. Es sollte daher bereits ab Beantragung des Kindesunterhalts eine Bevorschussung im Ausmaß des einfachen Regelbedarfs geben.

Doppelresidenz: Der Verfassungsgerichtshof hat entschieden, dass auch ohne Änderung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen sich ein Kind gleichteilig bei den Eltern befinden kann – etwa alternierend eine Woche bei der Mutter, dann eine Woche beim Vater. Wenn dies bisher gelebt worden ist und dem Kindeswohl entspricht. Bei der derzeitigen Gesetzeslage muss jedoch nach wie vor geregelt werden, bei welchem Elternteil sich der hauptsächliche Aufenthalt des Kindes befindet. Dies gibt bei Scheidungen oft Anlass für heftige Diskussion und erschwert die Lösungsfindung. Die gesetzlichen Obsorgebestimmungen sollten daher in Bezug auf das Doppelresidenz/Wechselmodell adaptiert werden, auch wenn dies mit sich bringt, auch noch andere Gesetze wie das Familienlastenausgleichsgesetz überarbeiten zu müssen.

Verbindliche Vorgaben für Pflegschaftsverfahren: Es liegt im Ermessen des Richters, ob dieser nach einem Antrag einen Akt zur Abklärung gleich an die Familiengerichtshilfe schickt oder ob er zuvor mit den Parteien noch einen Gerichtstermin anberaumt. Ähnlich gelagerte Fälle werden daher je nach Richter/Gericht ganz unterschiedlich behandelt. Hier sollten den Richtern verbindliche Standards vorgegeben werden. Standards, die auch die Voraussetzungen für die Anordnung eines begleiteten Kontaktrechts sowie die Maximaldauer eines Kontakts via Kontaktcafe festlegen.

Kuckuckskinder: Schadenersatzansprüche des Scheinvaters – jenem Vater, bei welchem sich später herausstellt, dass er nicht der biologische Erzeuger ist – gegen die Mutter scheitern meist. Der Rechtsprechung zufolge wird durch die bloße Unterlassung der Aufklärung über einen Mehrverkehr im Empfängniszeitraum ein Schadenersatzanspruch gegen die Mutter nicht begründet. Nicht nur der Scheinvater, sondern auch das Kind leiden jedoch meist enorm unter den unrichtigen "Vaterverhältnissen". Es sollte daher eine gewisse Offenlegungspflicht für die Mutter statuiert werden.

Reisekosten: Derzeit muss der Kontaktelternteil, also jener Elternteil, bei welchem sich das Kind nicht hauptsächlich aufhält, auch die mit dem Kontaktrecht verbundenen Reisekosten alleine tragen. Hier wäre eine Adaptierung der Kindesunterhaltsbestimmungen zu überlegen. Etwa wenn die Umstände, insbesondere die Einkommensverhältnisse der Eltern, es rechtfertigen, die Reisekosten zwischen den Eltern zu teilen.

Erweiterung des Papamonats: In Österreich gibt es keinen allgemeinen Anspruch auf ein "Papamonat". So gibt es einen Papamonat nur in folgenden Fällen. Erstens, wenn der Vater im öffentlichen Dienst arbeitet, zweitens, wenn der jeweilige Kollektivvertrag einen Papamonat vorsieht oder drittens, wenn dieser mit dem Arbeitgeber vereinbart worden ist. In Schweden hingegen hat jeder Elternteil einen persönlichen, nicht übertragbaren Anspruch auf – von den insgesamt 16 Monaten – zwei Monate bezahlten Elternurlaub. Hierdurch wird in Schweden bewirkt, dass viele Väter Elternurlaub auch tatsächlich in Anspruch nehmen.

Überdenken der sogenannten Verschuldensscheidung: Österreich ist eines der letzten Länder in Europa welches noch eine Verschuldensscheidung kennt. Derjenige Ehepartner, dem bei der Scheidung das alleinige oder zumindest überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe "umgehängt" worden ist, ist grundsätzlich zum (mitunter lebenslangen) nachehelichen Ehegattenunterhalt verpflichtet. Die Verschuldensklassiker sind nach wie vor das Fremdgehen sowie das böswillige Verlassen. Auf der Jagd nach dem Ehegattenunterhalt kommen oft Detektive, Peilsender (befestigt am Fahrzeug) et cetera zum Einsatz, auch Chatnachrichten oder Facebook-Ausdrucke werden bei Gericht vorgelegt. Es kommt zu Gerichtsverfahren, welche die Partner den letzten gegenseitigen wechselseitigen Respekt verlieren lassen.

Immer wieder wird überlegt, das österreichische Ehegesetz dahingehend zu adaptieren, dass – so wie in Deutschland – bei der Scheidung an sich vom Verschulden Abstand genommen wird. Auch wenn sich nachehelicher Ehegattenunterhalt – wie bereits bei gewissen Unterhaltskategorien im österreichischen Recht der Fall – sich primär am Bedarf des unterhaltsbeanspruchenden Ehepartners aber auch der Leistbarkeit des Unterhalts für den anderen Ehepartner orientieren sollte, so wird das Verschuldenselement doch – zumindest bei der Scheidungsfolge des nachehelichen Ehegattenunterhalts – nicht ganz aufzugeben sein. Denn jemand, der sich komplett seinen ehelichen Verpflichtungen entledigt hat, oder dem Ehepartner gegenüber eben sehr schäbig verhalten hat, soll den anderen nicht auch noch nach der Scheidung mit einer Ehegattenunterhaltszahlung belasten können. Von daher werden wir auch künftig nicht umhinkommen, uns im Streitfall mit den unsauberen Details eines Ehelebens auseinander zu setzen.

Familienbonus: Bei dem so lange diskutierten Familienbonus würde ich mir wünschen, dass diese Steuerentlastung nicht durch eine kalte Steuerprogression zunichte gemacht wird und nicht nur die Besserverdienenden profitieren. Den Eltern soll tatsächlich mehr Geld im Börserl bleiben. (Katharina Braun, 21.12.2018)