Wenn Donald Trump die Steuern für Unternehmen senkt, steigen ihre Aktienkurse – ich verdiene mit.

Foto: APA/AFP/MANDEL NGAN

Es ist jetzt 18 Monate her, seit ich mir zum ersten Mal in meinem Leben Aktien gekauft habe. In der Serie Katsching habe ich das Ganze journalistisch begleitet und darüber geschrieben, was es zu beachten gibt (lesen Sie hier eine Zusammenfassung). Ich wollte weg vom Sparbuch, weil die Inflation mein Erspartes langsam auffrisst. Weg vom Sparbuch: das habe ich geschafft. Aber sonst?

Die Welt meint es nicht sehr gut mit mir. Denn während ich diese Zeilen schreibe, stehen meine Aktien 100 Euro im Minus. Als ich vor einigen Wochen die Idee für den Artikel hatte, war ich noch 400 Euro im Plus, das wäre über 1,5 Jahre eine schöne jährliche Rendite von 5,5 Prozent.

Vor meinem geistigen Auge sah ich damals schon die provokante Schlagzeile: "Ich habe in einem Jahr an der Börse so viel verdient wie Sie in zehn." Daraus wurde nichts, aber das ist okay, denn es fasst gut zusammen, wie das mit Aktien so ist. Ich will erzählen, was seither passiert ist. Lassen sie mich von vorne beginnen, am 5. Juli 2017.

2017 nahm ich mir endlich Zeit. Ich wollte schon lange in Aktien investieren. Eine einzelne Aktie eines Unternehmens zu kaufen, sagen wir Apple, war mir aber zu riskant. Was, wenn die Firma pleitegeht? Oder keiner mehr iPhones braucht, weil jemand ein cooleres Handy entwirft? Dann würde ich viel Geld verlieren. Darum habe ich mir einen ETF gekauft, genauer gesagt ein Papier, das die Aktien der 2.400 größten Unternehmen der Welt zusammenfasst. Das Risiko ist damit sehr gering. (Hier mein Papier.)

Wie das genau geht, habe ich hier beschrieben. Aktien zu kaufen ergibt nur dann Sinn, wenn man das Geld länger nicht braucht. An den Börsen geht es ständig auf und ab, je nachdem, ob Anleger glauben, dass Unternehmen künftig mehr oder weniger Gewinn machen werden. Das ändert sich aber jeden Tag! Langfristig geht es aber nach oben, weil die Wirtschaft jedes Jahr ein bisschen wächst. Ja, es gibt Rezessionen und manchmal sogar Finanzkrisen, aber langfristig geht es historisch gesehen nach oben.

Verbraucherschützer und Ökonomen haben mir empfohlen, dass ich nur Geld in Aktien geben soll, dass ich acht bis zehn Jahre nicht brauche. Und dann, so ihr Vorschlag, die Anlage nicht weiter beachten, außer, es ändert sich etwas an meinen Lebensumständen. So ehrlich muss ich mit Ihnen sein: Daran habe ich mich zu Beginn nicht gehalten. Ich habe mich gefühlt wie im Kasino, jeden Tag mindestens einmal meine Anlage gecheckt, mich über Gewinne gefreut und über Kursverluste geärgert.

Und in den ersten Wochen und Monaten gab es ziemlich oft Grund zur Freude. Es ging nach oben und zwar steil. Warum? "Anleger hatten davor Angst, dass es in China bergab geht. Das trat nicht ein. Als sich dann auch noch abzeichnete, dass die US-Wirtschaft viel besser läuft als erwartet, ging die Post ab", sagt Stefan Bruckbauer, Chefökonom der Bank Austria.

Der ETF, den ich gekauft habe, bildet die Entwicklung der größten Firmen der Welt ab. Die meisten davon kommen aus den USA, denken Sie nur an Apple, Microsoft, Amazon oder Google. An all diesen Unternehmen besitze ich einen Mini-Anteil. 0,000000001 Prozent von Microsoft etwa.

Die Aktie einer Firma wird mehr wert, wenn Anleger, grob vereinfacht, davon ausgehen, dass sie mehr Geld verdient. Läuft die Wirtschaft eines Landes gut, füllt sich die Kassa der Firmen. Der Optimismus stieg und mit meinen 5.000 Euro ging es nach oben. Am 29. Jänner 2018 war der Höhepunkt: 5.883 Euro. Ein Traum.

Im Jänner ging es dann steil nach unten, eine sogenannte Kurskorrektur. "Der Markt übertreibt sehr oft, wenn es gut läuft, werden manche überoptimistisch", sagt Bruckbauer. Und: Spekulanten spielen auch eine Rolle. Denn der Wert einer Aktie wird nicht nur dadurch bestimmt, wie die Zukunftsaussichten sind. Sondern auch dadurch, wie andere Anleger darüber denken. So kann man spekulieren, ohne das sich real etwas ändern muss.

Nach der starken Korrektur im Jänner – 500 Euro waren in zehn Tagen weg – stabilisierte sich meine Anlage wieder, das ganze Jahr über war ich schön im Plus. Mittlerweile war mir das egal, ich habe die App, die mir die Entwicklung anzeigt, kaum mehr geöffnet. Das 500-Euro-Minus habe ich nicht registriert. Auch das Jänner-Hoch habe ich erst beim Schreiben dieses Beitrags entdeckt. Was mir ziemlich egal ist, denn verkauft hätte ich trotzdem nicht.

Den richtigen Zeitpunkt, um zu verkaufen, erwischt ein kleiner Anleger nämlich sowieso nicht. Wenn, dann nur aus Zufall. Rückblickend wäre es klug gewesen, im Jänner zu verkaufen. Wenn Sie das damals aber gewusst hätten, wären Sie heute reich. Ich werde meine Aktien dann verkaufen, wenn ich das Geld brauche oder sich meine Pläne ändern. Bei mir blieb alles beim Alten. Darum habe ich meine Anlage weitgehend ignoriert.

Wir kommen der Gegenwart näher und damit zum Fiasko. Seit einem Zwischenhoch im September habe ich 800 Euro verloren, ein Minus von 15 Prozent! "Die Korrektur ist enorm", sagt Stefan Bruckbauer von der Bank Austria, "es wird erwartet, dass in den USA bald ein wirtschaftlicher Abschwung kommt." Das ist schlecht für mich, denn US-Firmen zeichnen für mehr als die Hälfte meiner Anlage verantwortlich.

Aber ist das schlimm? Ganz ehrlich, mir ist das völlig egal. An der Börse geht es auf und ab, es ist riskant! Darum steckt man kein Geld in Aktien, das man kommendes Jahr für einen Autokauf braucht. Und warum man langfristig auch etwas verdient. Wer sein Geld lieber sicher auf dem Sparbuch liegen lasst, verdient sicher nichts.

Ich werde im kommenden Jahr genauso wenig wie in den vergangenen Monaten darauf achten, wie sich meine Anlage entwickelt. Nützlich ist das Ganze trotzdem: Ich brauche eigentlich keine Finanznachrichten mehr lesen. Denn ein Blick auf die App sagt mir, ob es mit der globalen Ökonomie gut oder schlecht läuft. Im Moment gehen die Märkte von letzterem aus. Ob sie recht behalten, weiß niemand. (Andreas Sator, 30.12.2018)