Wien – Der Generaldirektor der europäischen Migrationsorganisation ICMPD, Michael Spindelegger, fordert einen Dialog mit jenen Staaten, die sich dem UNO-Migrationspakt verweigern. "Es ist aus meiner Sicht notwendig, auf die zuzugehen, die Nein gesagt haben", sagte Spindelegger im APA-Interview. Unter diesen Staaten seien nämlich auch "wichtige Player" wie die USA, Australien oder Israel.

Durch die Entscheidung von Österreich und weiteren Staaten, dem Pakt fernzubleiben, sei zunächst einmal "noch nichts passiert", sagte der frühere Vizekanzler und ÖVP-Chef. "Passieren kann etwas Schlechtes, wenn nachhaltig zwei verschiedene Gruppen von Staaten auftreten", warnte er. "Daher muss man sich gemeinsam noch einmal hinsetzen und ausdiskutieren, was das die Probleme waren." Man müsse die Bedenken dieser Staaten ernst nehmen und einen "Working Modus" mit ihnen finden, sagte der Chef des von 17 europäischen Staaten getragenen Wiener International Centre für Migration Policy Development (ICMPD).

Für konkrete Nachverhandlungen sieht Spindelegger aber nach den langwierigen Debatten über den Migrationspakt noch nicht die Zeit gekommen. Eine Änderung könne es "in ein paar Jahren" geben. Einstweilen müsse man aber an jenen Punkten arbeiten, "die manche stören".

Kooperationsprojekte in Herkunftsländern

Das ICMPD bietet Expertise und konkrete Lösungen in der Migrationspolitik an, unter anderem durch Kooperationsprojekte mit Herkunfts- und Transitländern. Diese reichen von Schulungen für Grenzschützer bis zu Ausbildungsprojekten in Herkunftsländern, um den Migrationsdruck zu lindern. Mit Österreich, Ungarn, Polen, Tschechien, der Slowakei und Bulgarien zählen auch mehrere Migrationspakt-Verweigerer zu den ICMPD-Mitgliedern.

Das ICMPD will in dem vom Migrationspakt geschaffenen globalen Netzwerk eine Rolle spielen, sagte Spindelegger. Der Vorteil des Vertragswerks sei, dass sich zum ersten Mal alle mit dem "globalen Phänomen" Migration beschäftigt hätten. "Aus dem kann etwas entstehen, aber das wird man erst sehen", sagte er unter Verweis auf das von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) geplante Netzwerk, das unter anderem die Zusammenarbeit entlang der Migrationsrouten verbessern soll.

EU-Migrationspolitik: "Verfahrener Karren"

Pessimistisch äußerte sich Spindelegger zum Zustand der EU-Migrationspolitik. "Es ist ein verfahrener Karren. Den wieder herauszufahren, wird sehr schwierig und wird lange Zeit dauern." Gemeinsame Lösungen seien notwendig, aber man müsse mit "einigen Jahren" rechnen, bis es diese geben könne. Somit werde es nach Österreich auch der nächsten EU-Ratspräsidentschaft kaum gelingen, voranzukommen, "weil die Standpunkte viel zu unterschiedlich sind".

Positiv äußerte sich der Ex-Außenminister zum EU-Afrika-Forum, dessen Verlauf mit seiner "sehr guten Stimmung" und der Vereinbarung konkreter Projekte ihn "hoffnungsfroh" stimme. Es sei auch wichtig gewesen, dass man bei dem Treffen "beide Seiten beleuchtet" hat. Das "war wichtig aus dem österreichischen Gesichtspunkt, damit man nicht nur einseitig unterwegs ist, sondern mit beiden Beinen am Boden steht", sagte er in Anspielung auf die bisherige Dominanz des Aspekts der Grenzsicherung bei der Bewältigung der Migrationskrise. (APA, 19.12.2018)