Wilderer sorgen im Norden Russlands für den Rückgang der Rentierpopulationen.

Foto: Pavel Kochkarev / WWF Russia

Moskau – Die großen Herden wild lebender Rentiere im arktischen Norden Russlands werden zusehends kleiner. Wie internationale Umweltschützer und russische Behörden nun mitteilen, ist der Rückgang der Bestände vor allem auf illegale Jagd und die Auswirkungen des Klimawandels zurückzuführen.

Auf der Taimyr-Halbinsel im Norden Sibiriens habe im Jahr 2000 noch eine Million wilder Rentiere gelebt, teilte die Naturschutzorganisation World Wildlife Fund (WWF) am Mittwoch in Berlin mit. Inzwischen sei diese Population auf geschätzt 380.000 Tiere geschrumpft. "Die Jagd ist der Faktor, der das Schicksal des freilebenden Taimyr-Rentiers entscheiden wird" – das befürchtet auch die regionale Naturschutzverwaltung in der Stadt Norilsk.

Tauendes Flusseis

Auf der menschenleeren Halbinsel weit nördlich des Polarkreises spielen sich jedes Jahr Szenen ab, die an die Massenwanderung der Gnus in der ostafrikanischen Serengeti erinnern. Im arktischen Frühjahr ziehen die Rentiere mit ihren frisch geborenen Kälbern aus der waldreichen Taiga nach Norden in die baumlose Tundra. Früher überquerten sie zugefrorene Flüsse einfach. Doch durch die Erderwärmung tauen die Flüsse früher, und die Kälber müssen viel durch Eiswasser schwimmen. Viele von ihnen kommen dabei ums Leben.

An den Flüssen lauern in Booten die Wilderer. Sie erschießen die Rentiere oder sägen den Hirschen bei lebendigem Leib das Geweih ab. "Es gibt wahre Rentier-Massaker. Die Geweihe werden zu Pulver verarbeitet und vor allem in China als Heilmittel verkauft", sagte die WWF-Aktivistin Eva Klebelsberg. Die Rentierzunge sei ein begehrtes Fleischstück.

Kampf gegen Wilderer

Tonnenweise würden Geweihe weggeschleppt, beklagt die örtliche Naturschutzverwaltung. Das Umweltministerium in Moskau listet weitere Verstöße auf: Schonzeiten werden nicht eingehalten; die Wilderer dringen auf modernen Motorschlitten in die Rückzugsgebiete der Rentiere vor und zerschneiden die Wanderrouten. Die Behörden kommen selber zu dem Schluss, dass eine bessere Aufsicht über den Zustand der Herden nötig ist und ein energischer Kampf gegen Wilderer. (APA, red, 23.12.2018)